Schachblog Dr. Pfleger
von Dr. Helmut Pfleger
Zur Gegenfinanzierung ins Casino
Das 31. Deutsche Ärzteschachturnier vom 24. – 26. März 2023 in Bad Homburg
Schon einmal habe ich den höchst ambivalenten Schachspieler Johann Wolfgang von Goethe mit seinen Worten aus dem Faust 2 zitiert: „Hat einer dreißig Jahr vorüber, so ist er schon so gut wie tot. Am besten wär’s, euch zeitig totzuschlagen.“
Aber noch lebt es, das Deutsche Ärzteschachturnier, auch in seinem 31. Jahr! Wohl zausten die Pandemiejahre mit all ihren Einschränkungen und Befürchtungen an ihm – zumal die logistische Unterstützung des Deutschen Ärzteblatts seit Langem weitestgehend ausfällt -, erreichte man nicht mehr die früheren durchschnittlichen Zahlen von 130-140 Teilnehmern, doch waren es heuer immerhin schon wieder 93 Ärzte. Da aber auch Ärzte nicht über das ewige Leben verfügen und unweigerlich durch Tod und Krankheit manche Älteren nicht mehr kommen, sollen künftig auch ZahnärztInnen und MedizinstudentInnen eingeladen werden. Mal schauen, ob der große Spielsaal in Bad Homburg dann überquillt?!
Bad Homburger Flair
In dieser Stadt, die schon bedeutende Schachturniere mit Kortschnoi, Larsen, Hort und vielen anderen sah. Wenn auch nicht mit Bobby Fischer, der hier aber immerhin, zusammen mit Lothar Schmid, an der Glücksspielatmosphäre im Casino schnupperte. Ähnlich übrigens wie in seinen Schachpartien recht besonnen. Und ganz anders als die russische Gräfin Sophie Kiseleff, der Dostojewski in seinem 1866 in Bad Homburg geschriebenen Roman Der Spieler ein Denkmal setzte. Doch die spielsüchtige Großmutter war gleichzeitig eine kluge Geschäftsfrau und kaufte Spielbank-Aktien, sodass sie trotz ihrer immensen Verluste auf der Gewinnerseite blieb, wovon drei ihrer Häuser in der nach ihr benannten Straße am Kurpark zeugen. Seit ein paar Jahren gehört die Spielbank der Stadt. Kein Wunder, dass der Oberbürgermeister Alexander Hetjes in einer seiner launigen Ansprachen beim Empfang schon einmal anregte, dass die Teilnehmer abends nach geschlagener Schachschlacht zur Entspannung das Casino aufsuchen mögen – quasi zur Gegenfinanzierung des immer von der Stadt spendierten köstlichen Buffets. Muss ich bei dieser Gelegenheit nochmals erwähnen, dass alle bisherigen Ärzteschachturniere immer an Kurorten (Baden-Baden, Wiesbaden, Bad Neuenahr, Bad Homburg) mit einem Casino stattfanden?! Zufall schaut anders aus. Die launische, aber keinesfalls naive Schachgöttin Caissa weiß wohl, wohin sie ihre Äskulapjünger schickt.
Der Auftakt
Leider war heuer erstmals das Schachehepaar Manfred und Monika Mädler nicht dabei und insofern gab es keinen Buchstand mit dem Büchlein So darfst du nicht Schach spielen von Snosko-Borowski oder den letzten Geheimnissen der Eröffnungstheorie. Ich selbst vermisste vor allem den mittelalterlichen Ladenhüter Der Arzt im Schachspiel, um den die Ärzte aus irgendwelchen Gründen seit jeher einen großen Bogen machen. Doch so sehr Monika und Manfred am Turnier hängen, die Mühsal des Unterfangens mit dem Transport all der Bücherkartons gab den Ausschlag. Wohl kann Manfred mit seinem Witz und einem Schachleben voller Anekdoten immer noch köstlich unterhalten, doch 88 Jahre sind auch ein Argument.
Gott sei Dank war aber der Begründer des Ärzteturniers (mit etwas Mithilfe durch mich) und ehemalige stellvertretende Chefredakteur des Deutschen Ärzteblatts, Josef Maus, ordnend und einteilend vor Ort. Wie immer prächtig unterstützt durch seine Frau Hilla, Tochter Katharina nebst Mann Christoph und drei Enkelkinder, die beim Herumwuseln unter Tischen und durch Beine schon mal die Atmosphäre des Turniers einsogen – ein nahtloser organisatorischer Übergang scheint gewährleistet.
Zur wohltuenden Atmosphäre und zum „same procedure as every year“ trug sicher auch das badische Dreigestirn mit Jürgen Damman als Turnierleiter und seinen Kompagnons Alexander Krauth und Reinhold Faißt bei. Die beiden Letzteren ertappte ich hin und wieder bei Blitzpartien gegeneinander, schließlich besteht das (Schach-) Leben nicht nur aus Organisieren. Meine Bemerkung, dass etliche Bretter in Flammen stünden und Streitfälle zu schlichten wären, ließ die beiden unbeeindruckt. Der internationale Schiedsrichter Jürgen Damman meinte gar: „Solange man sich nicht gegenseitig totschlägt, ist es uns egal!“ Wohl die Quintessenz eines Schiedsrichterdaseins. Freilich gab es – wieder einmal – keinen Grund zur Beunruhigung. Sagte nicht Horst Metzing, der jahrzehntelange Geschäftsführer des Deutschen Schachbunds und selbst Internationaler Schiedsrichter, einmal, dass die Deutsche Ärztemeisterschaft für ihn das schönste Turnier überhaupt sei?!
Wie jedes Jahr erhielten alle Teilnehmer schöne Gaben aus dem Füllhorn von ChessBase, der in Hamburg ansässigen, weltweit führenden Firma von (Schach-) Datenbanken und Programmen wie Fritz & Co., und diesmal auch mein Jubiläumsbuch 40 Jahre Schach im ZEITmagazin aus der Edition Olms. Immerhin ist es schon das neunte Buch mit einer Sammlung meiner Schachspalten in der ZEIT.
Zwar nicht umsonst, aber dennoch recht begehrt waren die Polo-Shirts mit dem Äskulap-König, die unser finnisch-deutscher Webmeister und Künstlerarzt in Personalunion, Dr. med. Jan Wähner, entworfen hatte. In den Schachfarben Weiß oder Schwarz und in allen Größen. Wenn Sie sich für nächstes Jahr eines sichern wollen, lassen Sie es ihn doch rechtzeitig wissen. Ich jedenfalls bin nun nicht nur stolzer Besitzer von zweien, sondern bekam sogar eine wunderbare Äskulap-König-Skulptur von ihm, die fortan ein mir viel bedeutendes Andenken in meinem Schachzimmer ist. Altwerden mit dem Turnier kann sich offenbar lohnen.
Nach der offiziellen Eröffnung am Freitagabend gab es also das reichhaltige, wie stets von der Stadt gespendete Buffet – besten Dank, Herr Oberbürgermeister Hetjes! -, um sich entsprechend gestärkt danach den 64 Feldern zuzuwenden. Selbstverständlich war an diesem Abend der Spruch „Plenus venter non studet libenter“ außer Kraft gesetzt.
Wie immer konnte man das Blitzturnier mitspielen, ein Uhren-Handicap gegen mich spielen oder beim normalen Simultan diesmal den illustren Molekularbiologen und Schachgroßmeister in Personalunion, Prof. Dr. Luca Shytaj, herausfordern.
Virologe und Schachgroßmeister
Auf ihn stieß ich auf der Webseite en.chessbase.com, als der Wissenschaftsphilosoph Frederic Friedel in der Pandemiezeit fragte: „Kann ein Schachgroßmeister die Welt retten?“ Freilich wies ihn just jener „Messias in spe“ lakonisch auf „Betteridge’s law“ hin, nach dem jede Überschrift mit einem Fragezeichen am Ende mit „Nein“ beantwortet werden könne. Schade – diese Weltrettung hätte dem Königlichen Spiel zusätzlichen Glanz verleihen können!
Der 1986 in Tirana geborene Luca Shytaj kam mit sechs mit seinen Eltern nach Italien und wurde 2007 italienischer Staatsbürger; entsprechend wurde er sowohl Albanischer als auch Italienischer Meister und vertrat bei den Schacholympiaden 2004 und 2006 Albanien sowie 2008 Italien. Doch vor allem ist er ein renommierter Virologe, der vier Jahre in Heidelberg sowohl zu HIV als auch zu Covid 19 forschte, dann als Gastprofessor nach Sao Paulo ging und seit Ende 2022 eine Forschungsgruppe im englischen Bristol leitet.
Die Kollegen waren von seiner Freundlichkeit und Zugewandtheit sehr angetan, wenn er in ausgezeichnetem (!) Deutsch von sich und seiner Forschung berichtete. Freilich auch beeindruckt von seinen schachlichen Fähigkeiten, als er „in Windeseile“ durch die Reihen seiner 17 Gegner schritt. Neben zwei Remisen musste er sich aber auch einmal geschlagen bekennen. Gegen Dr. med. Stefan Hehn aus Grünkraut (als Merkhilfe von diesem selbst: „wie Rotkohl“), der freilich nicht immer in der Abgeschiedenheit der schwäbischen Provinz praktizierte, sondern jahrelang als Schiffsarzt ein abenteuerliches Leben führte. Den Kampf der beiden Globetrotter entschied jedenfalls ein „Grünkrauter Qualitätsopfer“. Wie sagte doch schon Vlastimil Hort: „Die Ärzte spielen sähr stark!“
Das Turnier
Am stärksten war diesmal Dr. med. Oliver Bucur, der schon das Blitzturnier am Freitagabend und dann sogar noch die Deutsche Ärztemeisterschaft 2023 für sich entschied. Der aus Rumänien stammende Kollege machte seinem Namen wahrlich Ehre. „Bucur(ie)“ bedeutet Freude und die Hauptstadt Bukarest in ihrer rumänischen Form „Bucuresti“ „Du freust dich“.
(Anmerkung: Wenn es geht, wäre es schön, unter das „s“ in „Bucuresti“ ein Häkchen zu setzen.)
Natürlich konnten sich nicht alle Kollegen bei dem 9-rundigen Schnellschachturnier mit sechs Partien am Samstag und drei am Sonntag immer freuen, neben schönen Kombinationen gab es auch grobe Patzer mit entsprechender Frustration, so machte beispielsweise Dr. med. Eduard Schiebelbein in Gewinnstellung (!) zweimal einen falschen Zug und wurde deshalb „wägän Rägel“ (Vlastimil Hort) genullt. Aber insgesamt war es einmal mehr ein gelungenes Turnier.
Das bestätigten auch – in der Nachfolge von Frau Dr. med. Utta Recknagel, viele Jahre unbestrittene und allseits hochgeschätzte „Anführerin“ aller teilnehmenden Ärztinnen – die Nephrologin Dr. med. Andrea Huppertz und die Internistin Dr. med. Anna Küßner-Brochhagen, die sich beide gut schlugen und den Männern manches „Ich bekenne mich geschlagen“ abnötigten. Letztere wurde natürlich wie immer vom Sohn Friedrich – nach Friedrich Schiller benannt, den das Schachspiel bis in seine letzten Tage hinein begleitete und tröstete – unterstützt; gar nicht selten musste allerdings der ebenfalls schachliebende Vater Thomas jenen Klein-Friedrich, wenn diesem gerade nicht nach Kiebitzen bei der Mama war, wieder einfangen.
Nicht nur ich freute mich, den zweimaligen Sieger des Ärzteturniers und mehrmaligen Landesmeister von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. med. Hannes Knuth, wiederzusehen. Nach einem schweren Verkehrsunfall, bei dem er auf dem Gehsteig (!) von einem Auto überfahren wurde, ist er natürlich in keiner Weise „der alte“, doch immer wieder blitzte sein grundsätzliches Schachverständnis auf. Seine Frau, ebenfalls Ärztin, las derweil das mich einst begeisternde Buch Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier (ein Pseudonym für den Philosophieprofessor Peter Bieri) mit einigen Schachstellen, die den Autor als Kenner ausweisen.
Dr. med. Matias Jolowicz – das ist derjenige, auf den Josef Maus immer wettet und so seine Chefredakteursrente aufbessert, und der beim Einstieg in die niedersächsische Seniorenmannschaft freudig mit „Endlich wieder frisches Blut“ begrüßt wurde – erzählte von seiner Sammlung alter Schachbücher. Als er bei einer Auktion den „Selenus“ (unter dem Pseudonym Gustavus Selenus veröffentlichte Herzog August II. zu Braunschweig-Wolfenbüttel 1616 das erste deutsche Schachbuch Das Schach- oder Königspiel) erwarb, wurde das gleich dem Karl May-Verleger und Schachgroßmeister Lothar Schmid mit der größten privaten Sammlung von Schachbüchern weltweit mitgeteilt. Matias war also jetzt auch in diesem exquisiten, bibliophilen Kreis angekommen. Doch nicht immer scheint er in 400 Jahre alte Schachbücher zu schauen, jedenfalls schlug er sich mit sechs Punkten in den Stunden aktueller Bad Homburger Wahrheit sehr gut, Josef Maus kann getrost weiter auf ihn wetten.
Ein langjähriger Gast des Ärzteturniers ist Dr. med. Wael Omran. Mit einer „Einwanderer-Erfolgsgeschichte“. Seit 35 Jahren lebt der gebürtige Syrer in Deutschland und hat als Endokrinologe in Mainz eine florierende Praxis nebst Labor mit 15 Angestellten aufgebaut, zweimal im Jahr besucht er seine weitverzweigte Familie in der einst von Kreuzfahrern gegründeten Hafenstadt Tartus.
Nun aber genug des Redens, jetzt wird geschacht.
Kombinationsschlaglichter
Dr. med. Robert Taayedi kam zwar mit seiner Familie, aber leider diesmal ohne seinen Dortmunder Kollegen Dr. med. Hubertus Draeger, der wacker auf die 90 zuschreitet. In der 8. Runde gelang ihm ein hübsches Matt gegen Dr. med. Friedemann Mack, der „natürlich“ wie immer vor Turnierbeginn mit seinem schwäbischen Kollegen Dr. med. Tomas Kunz die Gegend erwanderte. Von den Höhenzügen um die Kurstadt – schließlich heißt diese „Bad Homburg vor der Höhe“ – lässt sich schön auf diese hinabschauen.

Diagramm 1
(wKh2, Dd2, Tb1, Tg1, Sd3, Ba2, b3, c2, d5, f2, g3, h4;
sKh8, De7, Te5, Tf4, Lg7, Ba7, b7, c7, f3, h6)
Mit welchem Schlag konnte Dr. Taayedi als Schwarzer in 2 Zügen mattsetzen?

Diagramm 2
(wKh1, Df2, Ta1, Tf1, Lc1, Le2, Sb1, Sc2, Ba3, b4, c3, d4, e5, f4, g2, h2;
sKe8, Dd8, Ta8, Th8, Ld7, Le7, Sc6, Sf5, Ba6, b7, c4, d5, e6, f7, g5, h6)
Hier sind noch alle 32 Steine auf dem Brett. Mit welchem forschen Zug konnte Dr. med. Helmut Jacob, der nicht nur ein treuer Teilnehmer des Ärzteturniers ist, sondern auch mit seiner Frau im heimischen Ochtrup Schachgruppen leitet, als Weißer gegen Dr. med. Herwig Gerlach aus Berlin entscheidenden Vorteil erzielen?

Diagramm 3
(wKg1, Dd2, Ta1, Tf1, Ld5, Lg5, Ba2, b2, f2, g3, h2;
sKg8, Db8, Ta7, Tf8, Ld6, Sf6, Ba6, b7, f7, g7, g6)
Mit welcher Zugsequenz konnte Dr. med. Thorsten Heedt als Weißer gegen seinen Porzer Vereinskollegen Dr. med. Kai Finke in dieser harmlos anmutenden Stellung schnell in entscheidenden Vorteil kommen und mit einem „klassischen Dame-Läufer-Matt“ (Heedt) abschließen? Beide vertraten die Farben dieses einst vielfachen Deutschen Mannschaftsmeisters mit 7 Punkten aus 9 Partien sehr gut, nach Wertung war Heedt Zweiter, Finke Fünfter.

Diagramm 4
(wKg1, Dh7, Tc1, Tc2, Lg3, Sf3, Ba3, b4, d4, f2, g2, h2;
sKf7, Db7, Ta8, Tc8, Le7, Sd7, Sf6, Bb6, c5, e6, g7)
Wie konnte Dr. med. Teja Lensch aus Hamburg als Weißer nach einem vorherigen Springeropfer schnell gewinnen?

Diagramm 5
(wKd2, De3, Tb4, Tg5, Ld3, Ba4, c2, c3, f4, h4;
sKh6, Df7, Te8, Tg8, Lc6, Ba6, b7, d5, e6, g6)
Prof. Dr. Johannes Dorst aus Marburg hatte gegen seinen Professorenkollegen Peter Krauseneck aus Bamberg „unvorsichtig“ Französisch gespielt. Schließlich ist dies auch dessen Leib- und Mageneröffnung, mit der er einst sogar den großen Viktor Kortschnoi anlässlich einer „Neuro-Woche“ in Bamberg beim Simultan als Einziger bezwingen konnte. Peters schwarzer König wanderte damals ins freie Feld und überlebte wundersam, ein solch gnädiges Schicksal war hier dem schließlich auf d6 landenden schwarzen König nicht beschieden. Mit welchem weißen Auf- und Durchbruch begann des Bamberger Neurologen herrliche Kombination?

Diagramm 6
(wKg1, Df3, Td1, Lc4, Ba2, b2, c3, e5, f2, g2, h3;
sKg8, De7, Ta8, Lc8, Le3, Ba7, b7, c7, f7, g7, g5)
Zum Abschluss dieses Kombinationsreigens ein schönes Matt von Prof. Dr. Werner Plötz gegen den Jungarzt Dr. med. Max Fritschka aus Berlin. Fast drei Jahrzehnte war Prof. Plötz beim Ärzteschachturnier nicht mehr gesehen, nachdem er beim 2. Turnier 1994 in Baden-Baden Fünfter wurde und als Preis zwei Aktien der Schweizer Bank Credit Suisse erhielt, diese aber (Gott sei Dank) schon längst verkauft hat. Tja, das war in der guten alten Zeit, als die Credit Suisse mit ihrem schachliebenden Generaldirektor Dr. William Wirth das Königliche Spiel noch großzügig unterstützte und aus den damals vollen Fleischtöpfen sogar etwas für uns (notleidenden) Ärzte abfiel. Der Grund der langen Abwesenheit war seine Tätigkeit als Ärztlicher Direktor des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in München, deutschlandweit renommiert als Zentrum für Knie- und Hüftgelenksendoprothetik, wobei er selbst über 15.000 Operationen durchführte. Besonders beeindruckte mich der Fall einer sehr guten Freundin, die sich jahrelang nur noch unter großen Schmerzen bewegte (sie wollte auf keinen Fall unters Messer) und nach der doppelten Hüftgelenks-Op. „in einem Aufwasch“ durch ihn schon seit Jahren wieder „wie ein Reh umherspringt“.
Aber jetzt endlich Schach. Schwarz hatte zuletzt einen weißen Läufer auf e3 geschlagen und natürlich das automatische Wiederschlagen erwartet. Doch es kam ganz anders, in 3 Zügen war er matt. Wie kam’s?
Auflösungen
Diagramm 1:
Nach dem Turmopfer 1…Txh4+! 2.gxh4 Txh4 war es matt.
Diagramm 2:
Nach 1.g4! war der angegriffene Springer in unüberwindbaren Nöten. 1…Sh4 hätte ihn wegen der Mattdrohung auf f7 nach 2.fxg5 sofort verloren. Schwarz versuchte noch 1…Sg7, war aber nach 2.fxg5 0-0 3.gxh6 Se8 4.g5! auch verloren.
Diagramm 3:
Nach dem Abtausch 1.Lxf6 gxf6 2.Dh6! war der Einschlag auf g6 mit Schachgebot wegen der Fesselung des Bauern f7 nicht mehr zu vereiteln. Schwarz versuchte noch 2…Le5, „erlitt“ aber nach 3.Dxg6+ Kh8 4.Dh6+ Kg8 5.Le4! Te8 das berühmte „Dame-Läufer-Matt“: 6.Lh7+ Kh8 7.Lg6+ Kg8 8.Dh7+ Kf8 9.Dxf7 matt.
Diagramm 4:
Nach 1.Sg5+! Ke8 (1…Kf8 hätte das Leiden nur verlängert) 2.Dg6+ Kd8 (2…Kf8 3.Df7 matt) gab der Springer mit 3.Sxe6 matt.
Diagramm 5:
Auftakt war der Bauernvorstoß 1.f5!, der vor allem die latente Diagonale e3-h6 offenlegt. Nach 1…exf5 kam das Abzugs-Doppel-Schach 2.Th5+!! Nach dem Schlagen des Turms mit 2…Kxh5 wäre es durch 3.Dg5 matt gleich aus gewesen, also 2…Kg7. Doch nun folgte 3.Dh6+ Kf6 4.Txf5+! (der Bauer g6 ist gefesselt) Ke6 5.De3+ Kd6 6.Df4+ und im nächsten Zug wird die schwarze Dame „gratis“ verspeist.
Diagramm 6:
Weiß nahm nicht etwa mit 1.Dxe3 wieder, sondern setzte mit dem Turmopfer 1.Td8+! nach 1…Dxd8 2.Dxf7+ Kh7 3.Dh5 in drei Zügen matt.

Gelungenes Ärzteturnier
26.08.2021
Zum zweiten Mal in Folge mussten sich die schachspielenden Ärzte einem tückischen Gegner zwar nicht geschlagen, aber mit weniger als den üblichen etwa 140 Teilnehmern bei ihrer immerhin schon 29. Deutschen Ärzteschachmeisterschaft zufrieden geben.
Wie schon Mitte März 2020, als unmittelbar danach nicht nur das sportliche Leben praktisch zum Erliegen kam, so trafen sich nach zweimaliger, pandemiebedingter Verschiebung auch vom 20.-22. August wiederum nur 80 Ärztinnen und Ärzte in Bad Homburg. Angst vor einer Sars-CoV2-Infektion, das durch die Regularien vorgeschriebene, lästige Tragen eines Mundnasenschutzes beim Aufstehen vom Brett, schon gebuchte Urlaube etc. ließen manchen diesmal im wahrsten Sinne des Wortes Abstand nehmen.

Photo © Jan Wähner
Dennoch wurde es wieder ein rundum gelungenes Turnier. Das fing schon bei der Eröffnung am Freitagabend an, als Oberbürgermeister Alexander Hetjes eigens seinen Urlaubsbeginn um einige Stunden verschoben hatte, um die Ärztinnen und Ärzte wie jedes Jahr humorvoll „in der schönsten Stadt Deutschlands“ willkommen zu heißen und danach zu einem leckeren Buffet einzuladen. Dabei verriet er, dass sich ein 8-jähriges Mädchen kürzlich eine Schachpartie gegen ihn gewünscht hätte, und er – coram publico – gegen sie verlor. Ihm brach dabei ebenso wenig ein Zacken aus der Krone wie einst dem Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, als dieser beim Schulschachturnier „Rechtes gegen linkes Alsterufer“ in Hamburg mit 3000 Schülern für eine der Schulmannschaften antrat, ebenfalls gegen ein Mädchen verlor und danach „trotzdem“ das Schachspiel in höchsten Tönen lobte und von einer der sinnvollsten Veranstaltungen in seinem politischen Leben sprach.
Natürlich hörten die Ärzte auch mit großem Wohlgefallen, dass der für sechs Jahre wiedergewählte OB weiterhin die volle Unterstützung der Stadt für das Turnier versprach.
So können die Ärzte frohgemut und stolz ihrer 30. Meisterschaft, natürlich wieder in Bad Homburg, entgegenblicken – andere Berufsgruppen wie Juristen, Lehrer etc. tun sich da eher schwerer, lediglich die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sind unter der Patronage der rührigen Emanuel Lasker Gesellschaft (Lasker war ja selbst ein herausragender Mathematiker, der „beim Spazierengehen ums Karree“ in Berlin mit Einstein über dessen Relativitätstheorie diskutierte) erfolgversprechend gestartet.
Wie jedes Jahr gab es am Freitagabend noch ein Blitzturnier, das der „Newcomer“ Dr. Blasius Nuber vor den „altgedienten“ Kämpen Dr. Hans-Joachim Hofstetter und Prof. Dr. Peter Krauseneck gewann.
Parallel dazu musste ich mich beim Simultanspiel gegen 23 Gegner (1 Verlust, 3 Remisen) diesmal allein meiner Haut erwehren, nachdem Alexander Donchenko leider absagen musste, weil er Deutschland zwar nicht am Hindukusch, aber doch immerhin bei der Europameisterschaft in Reykjavik verteidigen wollte und vorher in Quarantäne musste.
Die eigentliche Deutsche Ärztemeisterschaft – wie immer 9 Runden im Schnellschach – gewannen Dr. Nuber und der weitere „Neuling“ Dr. Konstantin Berger gemeinsam mit herausragenden 8 Punkten, wobei Nuber nach der Buchholzwertung vorne lag und so auch den vom Kollegen Dr. Jan Wähner gestalteten, wunderbaren Siegespokal, bei dem sich die Äskulapschlange um den König windet, mit nach Hause nehmen konnte.
Dieses junge Duo wies die „ältere Garde“ mit Dr. Hans-Jörg Cordes, Dr. Hofstetter, Prof. Krauseneck, Dr. Helmut Jacob und Dr. Erik Allgaier (kein Nachfahre des berühmten Wiener Schachmeisters) auf die Plätze (die ausführlichen Ranglisten sind angefügt).
Einmal mehr wurde die einzigartige, familiäre Atmosphäre des Turniers, bei dem mit Dr. Branko Spasojevic, Dr. Martin Schäfer und Prof. Krauseneck immerhin noch drei Unentwegte (das ist wie bei den zehn kleinen Negerlein) an allen Ärztemeisterschaften seit dem Beginn 1993 in Baden-Baden teilnahmen, gelobt und genossen.
Sowohl der ehemalige Geschäftsführer des Deutschen Schachbunds und Internationale Schiedsrichter Horst Metzing als auch der Neurologieprofessor Dr. Krauseneck bezeichnen die Ärztemeisterschaften unisono als die schönsten Turniere, die sie je erlebt hätten – und beide haben wahrlich viele erlebt.
So kam Dr. Ulrich Fincke eigens mit dem Flugzeug aus Schweden und eine glückliche Dr. Andrea Huppertz gar erst in letzter Minute, nachdem ein Kollege doch noch überraschend ihren Wochenenddienst übernehmen konnte.
Natürlich wuselten auch wie immer etliche Kleinkinder herum, die Mama (Dr. Anna Küßner-Brochhagen) oder, natürlich häufiger, Papa und Opa „unterstützten“, ein weiterer „Künstlerarzt“, Dr. Gunnar Riemer, hatte sogar schon liebevoll selbstgestaltete Adventskalender für die Kleinen mitgebracht.
Unbedingt muss aber noch des früheren stellvertretenden Chefredakteurs des Deutschen Ärzteblatts, Josef Maus, gedacht werden, der für seine jahrzehntelangen Verdienste um die Ärzteschachturniere einen ebenfalls von Dr. Wähner geschaffenen Ehrenpreis bekam; wenig überraschend war dies ebenfalls eine in Glas gebannte um einen König windende Äskulapschlange, am Computer entworfen.
Josef Maus hatte einst, mit etwas Assistenz von mir, die Ärzteturniere ins Leben gerufen und Jahrzehnte praktisch im Alleingang mit all den damit verbundenen organisatorischen Mühen gemeistert, wobei er stets, wie ein guter Arzt, ein offenes Ohr und Herz für die Nöte aller hatte.
Dabei wurde er von seiner Frau Hilla und der älteren Tochter Katharina unterstützt, die jeweils am Freitagabend die Ärzte empfingen, mit Namensschildern etc. „verarzteten“ und ein Begrüßungsgeschenk überreichten.
Und schienen die Probleme doch einmal über den Kopf zu wachsen, so half ihm seine in Jahrzehnten erworbene Widerstandskraft als leidgeprüfter Anhänger des 1. FC Köln.

Josef Maus, zur rechten der Autor
Unterstützt wurde Josef Maus hierbei aber auch immer – sprich von der ersten Stunde an – von Jürgen Damman als bewährtem Turnierleiter und Schiedsrichter sowie Alexander Krauth und Reinhold Faißt, alle ebenso, zumindest ursprünglich, vom Badischen Schachverband wie Irene Steinke, die in den letzten Jahren hilfreich dazukam.
Ohne die logistische Unterstützung des Badischen Schachverbands wäre die Fortführung des Turniers unter der Federführung durch Prof. Krauseneck kaum möglich gewesen, nachdem die vorherige Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schachbund unter dessen neuer Führung wenig erfreulich war – um das Mindeste zu sagen.
Zum guten Schluss mögen noch ein paar Glanzleistungen schachspielender Ärzte davon zeugen, dass auch nach Dr. med. Siegbert Tarrasch, dem „Praezeptor Germaniae“ und vor gut hundert Jahren neben Emanuel Lasker stärksten Schachspieler der Welt, auch heutige Ärzte ihr (Schach-) Metier verstehen.

(wKe1, Dd6, Ta1, Th1, Lg5, Sf5, Ba2, c3, c4, e2, f2, g3, h2;
sKe8, Dd8, Ta8, Tf8, Lb7, Sb8, Ba7, b6, c5, d7, e4, f6, g6, h7)
Beim Open in Bad Wörishofen 1985 hatte der Internist und Gastroenterologe Dr. Hans-Jörg Cordes, der Dritte der diesjährigen Meisterschaft, als Weißer gegen den englischen Großmeister und „Russentöter“ Tony Miles, der damals zu den stärksten Spielern der Welt zählte und Tal, Smyslow, Spassky und Karpow geschlagen hatte (Letzteren demütigte er als Schwarzer gar mit der unerhörten Frechheit 1.e4 a6! 2.d4 b5!) diese Diagrammstellung.
Sowohl sein Läufer g5 als auch sein Springer f5 sind angegriffen, und es bedarf eines grandiosen Coups des damals noch Medicus in spe, um den Wirrwarr siegreich aufzulösen. Wie kam’s?
Lösung:
Mit 1.De5+! bot Cordes den schwarzen Bauern auch noch seine Dame zum Schlagen an, auf 1…fxe5 wäre indes 2.Sd6 matt gefolgt. Also blieb nur 1…Kf7, nach 2.Sd6+ Kg7 3.Sxb7 hatte Weiß aber eine Figur erobert und einen guten Schritt vorwärts auf dem Weg zum Endsieg gemacht (wenn der Rest auch immer noch nicht einfach war).

(wKg1, De3, Te1, Ba5, b5, e5, g2, h3;
sKh6, Df4, Te8, La8, Bg4, g6)
30 Jahre später. Beim allseits gerühmten Open in Gibraltar 2015, bei dem vor allem auch die stärksten Frauen der Welt gerne teilnehmen, hatte Cordes als Schwarzer zwar eine Figur der Chinesin Hou Yifan, neben Judit Polgar unzweifelhaft die stärkste Frau der Welt, erobert, andererseits sind deren Freibauern in dieser völlig unklaren Stellung brandgefährlich.
In Zeitnot zog Cordes 38…Kg5?, um seinen König nach einem allfälligen Damentausch gleich ins Spiel zu bringen. Doch wie konnte die sympathische Chinesin jetzt sofort gewinnen?
Lösung:
Nach 39.h4+! gab Schwarz schon auf, weil er mindestens seine Dame verlöre.
Auf 39…Kf5 gewinnt 40.Tf1 ebenso wie das noch bessere 40.Dd3+! Ke6 (40…Le4 41.Dd7+) 41.Dd6+ Kf7 42.e6+! nebst 43.Dxf4.

(wKh1, Df1, Ta1, Ld3, Sd2, Sf3, Ba2, b2, c3, g2, h2;
sKg8, Df2, Te3, Tf8, Lg4, Ba6, b5, c7, d5, g7, h7)
Einen noch berühmteren Skalp hat Dr. Hofstetter, der Vierte der Ärztemeisterschaft, am Gürtel hängen.
Bei einem Uhren-Simultanspiel 2008 des Internet Chess Club mit 90 Minuten plus 5 Sekunden Zugabe pro Zug hatte der jetzige Weltmeister Magnus Carlsen, der damals bereits die Weltrangliste anführte, bei 20 Gegnern ein Ergebnis von 19:1 erzielt.
Seine einzige Niederlage erlitt er gegen Dr. Hofstetter, der als Augenarzt in dieser verwickelten Stellung nicht etwa an der von Tarrasch beschriebenen Amaurosis acutissima (akute Schachblindheit) litt, sondern schlichtweg klarer als der jetzige Weltmeister sah.
Wie konnte er als Schwarzer am Zug zwangsläufig in ein gewonnenes Endspiel abwickeln?
Lösung:
Nach 1…Te3xf3! 2.Sxf3 (2…gxf3 Dxd2) Txf3! 3.Le2 (3.gxf3 Lxf3+) Dxf1+ 4.Txf1 Txf1+ 5.Lxf1 c5 stand Carlsen mit einem Bauern weniger auf verlorenem Posten und musste sich schließlich geschlagen bekennen.
Doch gegen den Zweiten dieser Ärztemeisterschaft, Dr. Konstantin Berger, musste Hofstetter in der vorletzten Runde eine schmerzliche Niederlage einstecken. Allenfalls blieb ihm das Eingeständnis von Efim Bogoljubow (als dieser bei der Deutschen Meisterschaft 1949 gegen Lothar Schmid in einem „Springerwettfressen“ verloren hatte): „Die jungen Leute spielen viel zu stark!“
Berger – Hofstetter
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.d4 exd4 5.0-0 Lc5 6.e5 d5 7.exf6 dxc4 8.fxg7 Tg8 9.Lg5 Dd5?

(wKg1, Dd1, Ta1, Tf1, Lg5, Sb1, Sf3, Ba2, b2, c2, f2, g2, g7, h2;
sKe8, Dd5, Ta8, Tg8, Lc8, Lc5, Sc6, Ba7, b7, c7, c4, d4, f7, h7)
„Das Motiv Sc3 war natürlich bekannt, aber …“ (Hofstetter)
10.Sc3! Df5 11.Te1+ Le6 12.Se4 Le7 13.Lxe7 Kxe7 14.Sxd4 Sxd4 15.Dxd4 b6 16.Sg3 Df6 17.Dxc4 Kd7 18.Tad1+ Kc8 19.Dc6 Kb8 20.Td7! Df4 21.Te7
„Aus die Maus“ (Hofstetter).
Zum guten Schluss sei auch noch des Bamberger Neurologieprofessors Dr. Peter Krauseneck gedacht, der mit großer Tatkraft die Führung des Ärzteschachs im neugegründeten Verein Medchess e.V. von Josef Maus übernahm und – ähnlich wie Dr. Hofstetter – einem ganz Großen die einzige Niederlage bei einer Simultanvorstellung beibringen konnte.
Anlässlich der „NeuroWoche“ 2010 am Klinikum Bamberg spielte der dreimalige Vize-Weltmeister Viktor Kortschnoi dort an 30 Brettern simultan und musste sich bei starker Gegnerschaft nur dessen vormaligem Direktor der Neurologie, Prof. Krauseneck, geschlagen geben. Offenbar mit einem beneidenswerten Arsenal an Angst abwehrenden Neuronen ausgestattet, ließ dieser seinen von Kortschnois Streitmacht wild attackierten König mutig ins freie Feld wandern und dort alle Gefahren und Stürme heil überstehen. Wie im Märchen, wo einer auszog, das Fürchten zu lernen.
Einmal mehr ist eine – trotz schwieriger Zeiten – harmonische Deutsche Ärzteschachmeisterschaft zu wohl fast aller Zufriedenheit zu Ende gegangen.
Helmut Pfleger
Schach hinter Gittern
10.05.2020
Ich war insgesamt drei Mal zu Simultanveranstaltungen in der JVA Straubing und spielte unterer anderem gegen den „Mittagsmörder“ und den „Begonienmörder“, zwei Mordfälle, die damals große Schlagzeilen machten. Als Erinnerung daran steht in meinem Schachzimmer ein großer, von Gefangenen handgeschnitzter Schachturm, der an den Wachturm eines Gefängnisses erinnert.Seit Jahrzehnten gibt es in der JVA Straubing ein reges Schachleben, wovon auch eine eigene Zeitung, die „Kleine Schachpost“ kündet. Und eine Mannschaft der JVA nimmt an den Bezirksligakämpfen teil, wobei sie immer „Heimrecht“ hat. Ein zweifelhaftes Privileg, sicher würden die Insassen liebend gern Auswärtskämpfe bestreiten. Unwillkürlich erinnert dies an unser aller Schicksal in dieser Corona X-Zeit, in der auch wir dem „Heimzwang“ entfliehen möchten.An all das musste ich denken, als mir der Kollege Dr. Franz Jürgen Schell bei der letzten Deutschen Ärzteschachmeisterschaft vom 13.-15. März in Bad Homburg – in der wir ein letztes Mal „frei“ und nicht nur im Internet aufspielen durften – von seinen Betriebsschachkämpfen im „Maßregelvollzug“ in Hamburg erzählte.Die dortige Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll ist die größte Psychiatrie Hamburgs; der Maßregelvollzug mit knapp 300 Betten ist aber oft mit mehr Patienten belegt, weil neben den Schwerverbrechern nun auch Abhängigkeitskranke dort behandelt werden. Als vor ein paar Jahren eine linke Tageszeitung sich den Protest von solchen Patienten zu eigen machte, als diese keinen Ausgang erhielten, nachdem sie sich geweigert hatten, ihre Medikamente zu nehmen und an Therapien teilzunehmen, erklärte Kollege Schell als Pressesprecher von Asklepios dem Redakteur, dass der Freiheitswunsch der Patienten in der Tat ein hohes juristisches Gut darstelle, dem jedoch ein anderes, mindestens ebenso sehr zu beachtendes gegenüberstehe, nämlich das Sicherheitsbedürfnis der Hamburger Bevölkerung.Erinnert Sie das nicht an augenblickliche Diskussionen um das Primat der Gesundheit und Grundrechte?!Auch in Hamburg nimmt der Maßregelvollzug der Asklepios Klinik Nord an den Betriebssportwettkämpfen mit einer bunt gemischten Schachmannschaft teil, wobei Chefarzt Dr. Guntram Knecht (vor ein paar Jahren nahm er mit 6,5 Punkten erfolgreich am Ärzteschachturnier teil) an Brett 1 spielt, an Brett 3 Kollege Schell und danach u.a. ehemalige und aktuelle Patienten. Wobei Dr. Knecht das Schachspiel neben anderen Therapien auch als kleinen Baustein zur sozialen Reintegration ansieht.Um die Vorbereitung auch theoretisch zu unterfüttern, hat übrigens Kollege Schell kürzlich den Großteil einer geerbten Schachbibliothek den Stationen des Maßregelvollzugs vermacht – künftig müssen sich andere Betriebsschachgruppen beim Kampf dort wohl noch mehr vorsehen!Natürlich hat auch die Mannschaft des Maßregelvollzugs immer nur Heimspiele, wobei die „auswärtigen“ Mannschaften einige Sicherheitsschleusen, ähnlich wie an Flughäfen, passieren müssen. Nun aber Schach pur. (wKg1, Dc2, Ta1, Te1, Lc1, Lg2, Sf3, Sf4, Ba2, b2, c3, d3, e4, f2, g3, h2;sKg8, Dc7, Ta8, Td8, Lc8, Le7, Se5, Sf6, Ba7, b6, c5, d5, e6, f7, g7, h7) Mit welcher hübschen Kombination konnte Dr. Schell für den Maßregelvollzug als Schwarzer am Zug gegen den ehemaligen Polizeikommissar Werner Stubbe von BWVL, einer Hamburger Behördenschachgruppe, gewinnbringend einen Bauern erobern? Lösung:Mit dem Opfereinschlag 1…Sxd3! Nach 2.Sxd3 (2.Dxd3 dxe4 ist nicht besser) dxe4 3.Sde5 (auch hier macht 3.Sfe5 exd3 keinen grundlegenden Unterschied) exf3 4.Sxf3 gewann Schwarz einen wichtigen Bauern und später die Partie.
Gelungenes Ärzteturnier in schwerer Zeit
von Dr. Helmut Pfleger
29.3.2020
Vom 13. bis 15. März fand in Bad Homburg die immerhin schon 28. Deutsche Ärztemeisterschaft trotz der anlaufenden Corona-Krise statt. Gründliche tägliche Prüfungen der Verlautbarungen und Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes und der Situation in Bad Homburg im Vorfeld hatten zu der Einschätzung geführt, dass das Turnier bei den großzügigen räumlichen Gegebenheiten bei Beachtung der hygienischen Vorgaben durchgeführt werden kann, zumal es sich um eine verantwortungsvolle und hygienebewusste Klientel handelt.
Nichtsdestoweniger ließen sich vorsichtigere Kollegen von den am letzten Tag vor Turnierbeginn zunehmenden Ausbreitungsmeldungen noch beeindrucken, so dass von den zuletzt angemeldeten 126 nur noch 79 Teilnehmer das Turnier aufnahmen.
Nachdem der Deutsche Schachbund dieses – auch von all seinen Präsidenten besuchte und hochgelobte – Turnier aus welchen Gründen auch immer nicht mehr mitträgt, hat sich der gemeinnützige Verein Medchess e.V. um den Bamberger Neurologieprofessor Dr. Peter Krauseneck und den Bad Kissinger Augenarzt Dr. Hans-Joachim Hofstetter als 1. und 2. Vorsitzendender, unterstützt von dem langjährigen Turnierleiter und Schiedsrichter Jürgen Dammann vom Badischen Schachverband als Schatzmeister, sowie Monika Mädler vom gleichnamigen Schachversand als Schriftführerin und Dr. Jan Wähner, Berlin, als Pressewart und Webmaster als Trägerverein für dieses und die kommenden Turniere gegründet.
Freilich war es für die Durchführung des Turniers ausgesprochen hilfreich, dass man sich der ungebrochenen Unterstützung durch OB Alexander Hetjes, des ausrichtenden Hotels Maritim und der schachbegeisterten Hoteliers Joachim und Frank Petry vom Parkhotel, denen schon viele hervorragende Turniere in dieser Bäderstadt zu verdanken waren, sicher sein konnte. Darüber hinaus haben zahlreiche Kollegen, die dieses traditionsreiche und einzigartige Turnier nicht missen wollten, dies durch ihre oft großzügigen Spenden ermöglicht.
Besonders erwähnt sei hierbei Dr. Richard Berthold, neben seinem Beruf als Diabetologe ein unermüdlicher Marathonläufer überall auf der Welt, dank dem die Prowin-Akademie das Turnier nicht nur mit Fußbalsam und Zahnpasta – quasi ein Service von Kopf bis Fuß – für jedermann, sondern auch mit einer hübschen Summe unterstützte.
Ein besonderer Dank gebührt auch Dr. Jan-Erik Wähner aus Berlin, der neben einem treffenden Logo mit einer sich um den König windenden Äskulapschlange auch das Plakat für diese Meisterschaft entwarf, bei dem die Dame den König mit einem Stethoskop auskultiert – schließlich dreht sich ja im „Königlichen Spiel“ letztendlich alles um dessen Wohlbefinden.
Lustigerweise fehlt auf dem Plakat auch nicht der Zusatz „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie bitte die Schachgöttin Caissa oder ……..“
Tja, diese Leerstelle konnte/musste man diesmal durch „Corona X-Virus“ ausfüllen, woran der „Künstlerarzt“ beim Entwerfen kaum gedacht haben dürfte.

Selbst zwei derer, die von Anfang an bei allen Ärztemeisterschaften dabei waren, blieben diesmal fern, sodass die Zahl der mittlerweile „28-Ender“ auf vier schrumpfte. Man wird unwillkürlich an die „Zehn kleinen Negerlein“ erinnert.
Unweigerlich beeinflusste dies, gerade anfangs, natürlich die Stimmung. Dennoch hellte sich diese – angesichts des familiären Charakters des Turniers möchte ich fast sagen „unvermeidlich“ – wieder auf. Und einen geeigneteren Ausspruch als den von Prof. Dr. Eberhard Schwinger aus Lübeck zitierten: „Es gibt keinen besseren Ausweg von den Übeln des Lebens als eine gute Partie Schach“ (Francis Bacon) konnte man sich in dieser Lage nicht vorstellen. Ähnlich sagten es im Mittelalter schon der arabische Gelehrte Ibn ul Mutâzz: „Droht uns Gefahr, bedrückt uns die Angst, so ist das Schachspiel ein Freund in unserer Einsamkeit“ und der große spanische König Alfons X. der Weise: „Schach bietet dem Menschen Zerstreuung, wenn Kummer und Schmerz ihn zu übermannen drohen.“
Wie immer wurde das Turnier am Freitagabend mit einem Blitzturnier, welches Dr. Dirk Wildenrath und Prof. Krauseneck gemeinsam gewannen, sowie alternativ einer „normalen“ Simultanvorstellung durch die mit Abstand beste deutsche Schachspielerin Elisabeth Pähtz und einem Uhren-Handicap durch mich selbst eingeleitet.
Deutscher Ärztemeister wurde diesmal Dr. Rutz vor Dr. Bucur, Dr. Paust, Dr. Wildenrath, Dr. Csillag, Dr. Birke und Dr. Schaefer (die beiden letzten „Männer der ersten Stunde“! – übrigens ebenso wie Dr. Spasojevic und Prof. Krauseneck).Endtabelle_2020-1Herunterladen
Bei der Preisverteilung war der Gabentisch diesmal besonders üppig gedeckt, darunter acht prächtige Emanuel Lasker-Biographien, ein Geschenk von Thomas Weischede, dem Präsidenten der Emanuel-Lasker-Gesellschaft und etliche wertvolle DVDs der Firma Chessbase wie beispielsweise das neue Fritz 17.
Auch der Bücherstand des Ehepaars Manfred und Monika Mädler war wieder „üppig bestückt“, ich vermisste lediglich den ewigen Ladenhüter Der Arzt im Schachspiel des Dominikanermönchs Jakobus de Cessolis aus dem Mittelalter. Ein schönes Buch, das die Ärzte allerdings aus irgendwelchen Gründen wie der Teufel das Weihwasser meiden.
Ein besonders berührender Augenblick war die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft für den ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur des Deutschen Ärzteblatts, Josef Maus.
Er hat das Ärzteschachturnier begründet und mit großem Einsatz, viel „Herzblut“, absoluter Verlässlichkeit und einem stets offenen Ohr für jedermann auch durch gelegentlich schwierige Zeiten „getragen“ und so zu dessen einzigartiger Atmosphäre wesentlich beigetragen. Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass sich neben dem 1. FC Köln auch diese außereheliche Liebe in seinem Herzen einnisten würde! Natürlich war dies nur möglich durch die Unterstützung seiner ganzen Familie, die mit ihrer freundlichen Präsenz eine „conditio sine qua non“ all dieser Jahre war.
Bevor ein paar Kombinationen des Turniers den Bericht abrunden sollen, sei noch vermerkt, dass schon das Datum der nächsten Ärztemeisterschaft feststeht: 19. bis 21. Februar 2021 wieder in Bad Homburg v.d.H.– bitte vormerken!

(wKf2, Dh8, Tc2, Tg1, Lc3, Lf1, Ba2, d5, e4, f3, h2;
sKe7, Df4, Tb1, La6, Sf6, Ba5, d7, f7, h7)
In hoher beiderseitiger Zeitnot spielte Dr. Jan-Erik Wähner als Schwarzer 1…Dxh2+ und gewann nach 2.Tg2 Txf1+ 3.Ke3 Dh6+ 4.Kd4 Txf3 schließlich.
Mit welcher herrlichen Opferkombination hätte er jedoch in drei Zügen mattsetzen können?
Lösung:
Mit dem Springeropfer 1…Sg4+!
Die Ablehnung des Opfers mit 2.Kg2 führt nach 2…Dxh2 gleich zum Matt, während die Annahme mit 2.Txg4 Txf1+ 3.Kg2 Dxf3 einen Zug länger dauert.

(wKh1, Dc3, Ta1, Tg1, Lc1, Lg2, Sf3, Ba2, b2, c4, f2, h2;
sKg8, Df4, Ta8, Td8, Lg4, Sf6, Sh4, Ba7, b7, c6, e6, f7, g7,h6)
Weiß hatte zuletzt mit 1.Sd2-f3 die schwarze Dame und gleichzeitig den Springer h4 angegriffen. Mit welchem kräftigen Konter gewann Dr. Michael Jordan als Schwarzer aber schnell?
Lösung:
Nach 1…Se4! war Weiß verloren.
Das Nehmen der Dame mit 2.Lxf4 ergibt nach 2…Sxf2 ein Ersticktes Matt.
Das gleiche Schicksal würde den weißen König nach 2.Dc2 Td2! (auch 2…Dxf3! 3.Lxf3 Lxf3+ 4.Tg2 Lxg2+ 5.Kg1 Sf3+ 6.Kxg2 Se1+ nebst 7…Sxc2 gewönne Haus und Hof) 3.Dxd2 Dxd2! 4.Sxd2 Sxf2 ereilen, während 3.De1 wiederum wegen 3…Dxf3! hoffnungslos wäre.

(wKg1, Dd1, Tc1, Tf1, Lg2, Sf3, Ba2, b2, d3, e2, f2, g3, h2;
sKg8, De6, Tb8, Tf8, Sc6, Sd5, Ba7, b7, c7, e5, f6, g7, h7)
In dieser so harmlos anmutenden (Allerwelts-) Stellung konnte Dr. Matthias Birke als Weißer mit einem obendrein auch noch harmlos scheinenden Zug zwangsläufig eine Figur gewinnen. Wie kam’s?
Lösung:
Nach 1.Db3! ging es dem Springer d5 an den Kragen; nach 1…Dd7 2.e4 gab Schwarz wegen des Springerverlusts auf.
Doch auch 1…Sa5 2.Db5 oder 1…Kh8 2.e4 oder 1…Tfe8 2.Sg5! mit der schrecklichen Drohung 3.Lxd5! hätten nicht mehr geholfen.

(wKb1, Dd2, Td1, Te1, Ld3, Lg5, Sc3, Sg3, Ba2, b2, c2, d4, f3, g2, h4;
sKg8, Da5, Ta8, Te8, Le6, Lg7, Sb6, Sf6, Ba7, b7, c5, d5, f7, g6, h7)
Hier wurde dem Schwarzen das versteckte Vis-à-vis der beiden Damen, vor allem die ungedeckte Lage der schwarzen, zum Verhängnis. Und zwar wie?
Lösung:
In einer „petite combinaison“ schlug Dr. Dieter Hardt als Weißer zuerst den Springer 1.Lxf6, um nach dem Wiedernehmen 1…Lxf6 mit 2.Sc3-e4! die schwarze Dame und den Läufer f6 gleichzeitig anzugreifen, wonach unweigerlich der Läufer verloren geht: 2…Dxd2 3.Sxf6+.
„Dummerweise“ rettet nun auch der Gegenangriff 2…Kg7 nicht mehr, weil Weiß vor dem Wiederschlagen der schwarzen Dame sich mit 3.Sxe8+! und Schachgebot auch noch beim schwarzen Turm bedient: 3…Txe8 4.Txd2.

(wKf3, Sc6, Bd5, e3, f4, h4;
sKf5, Sc5, f6, g7, h5)
Wie konnte Dr. Helmut Plöger als Weißer am Zug in einem „Zeitnot-Pingpong“, bei dem die Springer mehr übers Brett flogen als hoppelten, dieser Hektik nun ein abruptes Ende setzen?
Lösung:
Mit 1.Se7+! wurde der schwarze König trotz des reduzierten Materials einzügig mitten auf dem Brett mattgesetzt.

