Schach im Netz – welche Plattformen gibt es und wer steckt dahinter?
20. Juni 2021Teil 4 aus der Gastbeitragsreihe von Dr. Franz Jürgen Schell.
Wer online Schach spielen möchte, steht vor der Qual der Wahl, denn es gibt zahlreiche Angebote. Das Richtige zu finden ist auch deshalb nicht ganz einfach, weil Google beispielsweise die Seiten vorne anzeigt, von denen der Suchmaschinenbetreiber selbst etwas hat. Das Interesse des Suchenden hat dem zu folgen. Daher findet sich mein persönlicher Favorit www.lichess.org, immerhin der zweitgrößte Schachserver der Welt auf den ersten 8 (!) Seiten von Google überhaupt nicht. Dafür bekommt man aber otto.de und Zeit.de vorgeschlagen. Eine etwas bessere, aber auch nicht vollständige Auflistung bietet https://de.wikipedia.org/wiki/Schachserver
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen Angeboten. Bei den meisten kommerziellen Seiten ist online Spielen auch ohne Kosten möglich, aber das Angebot ist eingeschränkt.
Unangefochtener Platzhirsch unter den kommerziellen Schachservern ist www.Chess.com. In der Zeit der Pandemie hat es die seit 15 Jahren bestehende Seite unter die Top 300 Internetseiten geschafft. Das amerikanische Unternehmen agiert dabei in einer landestypischen Mischung aus Einfallsreichtum, Unterhaltungswert und einem beinharten Wettbewerb. Zu dieser Kreativität mit kommerziellem Hintergrund gehören die „pogchamps“, deren zweite Staffel im Herbst lief. Dort ermitteln Schachamateure, die als Computerspieler, Schauspieler, Talkshowmoderatoren oder Youtuber bekannt wurden und von namhaften Großmeistern gecoacht werden, ihren Meister. Die Übertragungen werden dann von Großmeistern im Stil von Sportreportern leidenschaftlich kommentiert – und ziehen sehr viel Publikum an, darunter auch viele, für die Spannung beim Schach eher neu ist.
Die harte Seite zeigt sich in Exklusivverträgen mit namhaften und beliebten Großmeistern, mit denen den Mitbewerbern das Wasser abgegraben wird. Manch ein Titelträger muss Aktivitäten woanders einstellen, wenn er mit Chess.com unter dem Vorstand IM Danny Rensch ins Geschäft kommen will. Auch Weltmeister Magnus Carlsen wurde von Chess.com „mattgesetzt“: Als seine eigene Webseite Chess24.com die selbst initiierte und finanzierte Magnus Carlsen Chess Tour live zeigte, übertrug auch Chess.com – und hatte mit dem gleichen Inhalt mehr als zehn Mal so viele Zuschauer.
Für Spieler bietet die Seite einen kostenlosen Account, allerdings mit Werbung und Einschränkungen. Es gibt drei Stufen der Mitgliedschaft, Gold, Platin und Diamant, die mit zunehmenden Privilegien verknüpft sind. Die Kosten liegen dabei zwischen 5 und 12 $ monatlich. Hinter jedem Spieler zeigt ein Fähnchen, woher er stammt, viele haben auch ein kleines Foto. Direkt nach der Partie wird eine grobe Analyse angezeigt mit Zahl der Ungenauigkeiten, Fehler und Patzer und wie akkurat man aus Sicht des Schachprogramms gespielt hat.
Das Gegenteil zu Chess.com ist Lichess.org. Diese 2010 von einem französischen Programmierer erstellte Seite ist nicht nur unkommerziell, sie macht es ihren Nutzern sogar richtig schwer, als „Patron“ zu spenden, man muss die entsprechende Seite erst mal finden: https://lichess.org/patron/list Übrigens finden auf Lichess mit seinem modernen, aufgeräumten Design auch die Ärzte-Schachturniere statt, auf die ich hier natürlich noch einmal für alle jene verweisen muss, die noch nicht teilnehmen: https://lichess.org/team/arzteschach. Eine ganz eigene Dynamik hat die Quarantäne Bundesliga auf Lichess entwickelt. Das Blitzturnier findet jeweils Donnerstag und Sonntagabend als Arena statt mit wechselnder Bedenkzeit zwischen 3 Min, 3+2 und 5 Minuten. Spieler treten für eines von 10 Teams an und sammeln Punkte. Die erfolgreichsten Spieler kommen in die Wertung, die ersten drei Mannschaften steigen in die höhere Liga auf, die letzten drei steigen ab. Was ursprünglich ein rein deutscher (aber offener) Wettbewerb war, ist inzwischen auf 16 Ligen mit meist jeweils drei parallelen Turnieren explodiert, und eine Kleinstadt kämpft hier regelmäßig um Auf- und Abstieg. Die Liga hat sich inzwischen international so etabliert, dass man in allen Klassen Mannschaften aus der ganzen Welt von Europa über Südamerika und Arabien bis Asien begegnet.
Die Hamburger IT Firma Chessbase, Erfinder des beliebten Schachprogramms Fritz play.chessbase.com bietet ebenfalls eine Plattform zum Spielen. Der Vorteil dürfte hier die Verknüpfung mit der Datenbank von Chessbase sein. Ansonsten ist Chessbase, früher eine Topadresse beim online-Spielen, im Wettbewerb der Schachserver etwas zurückgefallen. Auch die Homepage mit interessanten Nachrichten und originellen Geschichten aus der Welt des Schachs https://de.chessbase.com/ konnte diesen Abstieg nicht verhindern.
In Deutschland erfreut sich auch www.Schacharena.de einer gewissen Beliebtheit. Die Seite wirkt in ihrer verspielten, üppigen Optik für mich etwas barock, wie aus der Frühzeit des Internet. Verglichen mit den Marktführern scheinen hier auch eher weniger starke Spieler unterwegs zu sein.
Jung und hip dagegen ist www.Chess24.com. Diese Plattform wird von Weltmeister Magnus Carlsen und dem geborenen Norweger und Wahl-Hamburger Jan Gustafsson betrieben. Mit dem Weltmeister als Zugpferd, der z.B. regelmäßig in der Banter Blitz Serie auftritt, gibt es ständig interessanten „Content“, wie es im Internetmarketing so schön heißt. Die Norwegian Connection sieht sich nicht nur als Plattform zum Spielen, sondern versteht sich auch als Nachrichtenportal mit Turnierberichten, Interviews und Hintergrundinformationen und ähnelt hier Chessbase.
Weder Google noch Wikipedia weisen auf diese französische Plattform hin: https://www.europe-echecs.com/ Erwähnenswert ist sie wegen regelmäßiger Blitz Open-Turniere. Die Teilnahme ist für Titelträger kostenlos, Amateure bezahlen 5 €, haben dadurch aber die Chance gegen namhafte Großmeister spielen zu können.
Das schachliche Konsil mit Dr. FJS:
Wie hätten Sie gezogen?
Apropos Titelträger: Das heutige Rätsel ist aus meinem ersten Sieg im Blitz gegen einen Internationalen Meister. Gerade hatte ich trotz der schwarzen Batterie auf der f-Linie mit f5 die Stellung aufgehebelt. Der Balken rechts verrät, dass der Computer die Position hier bereits als gewonnen für weiß einschätzt und als besten Zug für Schwarz Sxf5 vorschlägt. Der chilenische IM Manitodeplomo schlug stattdessen mit dem Turm auf f5, was mit einem Turm weniger natürlich eine verlorene Stellung zur Folge hatte. Aber warum kann Schwarz eigentlich nicht einfach mit dem Bauern auf f5 nehmen?
Lösung:
Weil er dann sogar die Dame verloren hätte. Nach gxf hatte ich Dxh5+ – Th6, Tg7+ – Txg7, Txg7+ -Kxg7, Dxe8 geplant.