Kein Labskaus beim Ärzteschachturnier

von Dr. Helmut Pfleger

Claus Weselsky, der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer tat kurz vor seinem Ruhestand sein Bestes, um den schachspielenden Ärzten in die Suppe zu spucken. Doch die mehr als hundert Ärzte ließen sich trotz aller Bahnstreikhürden nicht davon abschrecken, auf teils abenteuerlichen Umwegen ihr Wunschziel zu erreichen und notfalls dafür – horribile dictu – sogar in ein Auto zu steigen. Einmal mehr fand das 32. Deutsche Ärzteschachturnier vom 8.-10. März in Bad Homburg statt. Wo die Ärzte und Ärztinnen, die teilweise mit Kind und Kegel gekommen waren, zur Eröffnung am Freitagabend wieder ein äußerst launiger Streifzug durch des Kurorts reiche Geschichte von OB Alexander Hetjes erwartete.

Geschichte von Bad Homburg

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gab sich das „Who is who“ der europäischen Geschichte in Bad Homburg ein Stelldichein: Kurfürsten und Großherzöge, der Prince of Wales ebenso wie Könige aus Italien, Spanien und Thailand, der russische Zar, Kaiserin Sisi … Das preußische Herrscherhaus kam nahezu vollständig, an der Spitze die drei Hohenzollern-Kaiser. Aber auch die Schriftsteller Gogol und Dostojewski, George Eliot und Oscar Wilde.

Alle wollten sie an den Heilquellen gesunden, zumal der berühmte Chemiker Prof. Justus von Liebig 1836 den Elisabethenbrunnen in den höchsten Tönen lobte: „Es möchte in Deutschland wohl schwer sein, ein Mineralwasser zu finden, welches gleichen Reichtum an wirksamen Bestandteilen darzubieten vermöge.“

Weil dies freilich zwar gesund sein mag, aber auch eintönig werden kann, konnte die bessere Gesellschaft im Casino dem Glücksspiel frönen. Was Dostojewski aufgrund eigener leidvoller Erfahrungen in seinem Roman Der Spieler treffend beschrieb.

Nervenkitzel Schach

Die Ärzte und Ärztinnen suchten indes den Nervenkitzel an diesem Wochenende bei „ihrem“ Schachspiel. Das mit den unerbittlich tickenden Uhren in hoher Zeitnot allerdings schon auch zum (fast) reinen Glücksspiel werden konnte. Dr. Siegmar Gottwald, einer der erfahrensten Teilnehmer, konnte ein Lied davon singen, als er in hoher Zeitnot mit einem Rucksack an Mehrfiguren auch noch das letzte Bäuerlein seines Gegners schlug und plötzlich feststellen musste, dass dessen einsamer König zwar nicht mehr ziehen konnte – aber leider dabei nicht im Schach stand. Patt – zum Haare-Ausraufen!

Eröffnung mit Blitzturnier und Simultan

Aber kommen wir zur Eröffnung am Freitagabend zurück. Beschwingt noch von des Oberbürgermeisters humorvollen Worten (der unmittelbar danach zu einem Abend der Freiwilligen Feuerwehr musste, die Welt besteht offenbar nicht nur aus schachspielenden Ärzten) erwartete die Ärzte wie jedes Jahr ein reichhaltiges, von der Stadt gespendetes Buffet. Geistig und körperlich so gestärkt, spielten die einen ihr Blitzturnier, das der badische Kardiologe und schon mehrmalige Sieger des Ärzteturniers, Dr. Patrick Stiller, mit 10 Punkten aus 11 Partien beeindruckend gewann. Unmittelbar zuvor hatte er mich wieder wegen meiner Herzrhythmusstörungen beraten – eine solche Expertise kann zwar die Fakten nicht aus der Welt schaffen, aber doch zur inneren Beruhigung beitragen.

So spielte ich denn wohlgemut gegen 16 Ärzte simultan und musste bei einem Remis nur gegen den Neurologen Dr. Gunnar Riemer (ausnahmsweise werde ich mich hier nicht über der Neurologen besondere Verknüpfung ihrer „Schachneuronen“ auslassen – ich habe dies schon mehrfach getan, nicht zuletzt beim Bamberger Neurologieprofessor Dr. Peter Krauseneck) die Waffen strecken, nachdem dieser ansonsten so friedfertige Mensch mit seiner ganzen angriffslüsternen Streitmacht über meinen König herfiel.

Turniersieger Dr. Amir Rezazadeh

Am Samstag und Sonntag wurden insgesamt neun Schnellschachrunden gespielt. Wobei – man kann es gar nicht genug loben – das „badische Dreigestirn“ der Turnierleitung Jürgen Damman, Alexander Krauth und Reinhold Faißt, die von Anfang an immer dabei waren, einmal mehr für eine sehr gute Atmosphäre sorgten. Keine Probleme, keine Streitfälle, kurzum nix – alle Auseinandersetzungen wurden friedlich auf dem Schachbrett ausgetragen. So wie das Schachspiel bei seiner Entstehung im indisch-persischen Raum vor ca. 1500 Jahren gedacht war – als sublimiertes Kriegsspiel. Schach ist besser als Krieg – oh wie banal, oh wie wahr!

Zum guten Schluss hatte diesmal der Strahlentherapeut Dr. Amir Rezazadeh von der Uni-Klinik Köln, der mit sechs Jahren aus dem Iran nach Deutschland kam und für den Bundesligaverein SV Mülheim an der Ruhr spielt, gewonnen. Neben schnödem Mammon bekam er dafür als Ehrenpreise nicht nur die eindrucksvolle Schachgrafik „Die Dame“ des Künstlers Michael H. Dietrich, sondern auch den herrlichen Siegerpokal des Künstlerarztes Jan Wähner, auf dem die Äskulapschlange den König umschlingt (ich bin stolz, eine ähnliche Skulptur von ihm in meinem Schachzimmer zu haben).

Im ZEITmagazin am 25. April zeige ich übrigens, wie Dr. Rezazadeh sogar die Königsfestung eines Neurologen erstürmte – immerhin hatte dieser Dr. Reinhold Schnelzer selbst das Turnier schon einmal gewonnen.

Schmerzlich vermisste Teilnehmer von früher

Seine Kombination erinnerte mich an meinen persischen Freund Dr. Modjtaba Abtahi, mit dem ich einst in Erlangen studierte und der später als Leiter der Unfallchirurgie des Prosper-Hospitals in Recklinghausen seinen Patienten „Potzblitz“ alias Karl-Heinz Podzielny, einen der stärksten Blitzspieler Deutschlands, zu Blitzpartien mit ihm am Krankenbett verdonnerte und ihn dabei einmal mit einer wunderbaren Opferkombination bezwang. Modjtaba, der vom Anfang an immer beim Ärzteschachturnier dabei war, selbst dann, als er schon deutlich von seiner Krebserkrankung gezeichnet war, liebte das Schachspiel und vor allem dessen romantisch-kombinatorische Seite.

Natürlich fehlt er, natürlich fehlen so viele der vergangenen Jahre, beispielsweise das Trio der über 90-jährigen Dr. Faulhaber (der – seinen Gehstock zum Himmel reckend – verkündete: „Und wenn mich der Herrgott nicht zu sich holt, bin ich nächstes Jahr wieder dabei!“), Dr. Schütz (der bei seinem letzten Mal direkt vom Skifahren in der Schweiz kam – Abfahrtslauf wohlgemerkt!) und Dr. Reichelt.

Und natürlich fehlt die „Grand Dame“ des Ärzteschachs, die Kinderärztin Dr. Utta Recknagel, die so oft in ihrer charmanten Art das Turnier bereichert hat.

Ein buntes Teilnehmerfeld

Immerhin waren von ihren „Schäfchen“ die Dialyseexpertin Dr. Andrea Huppertz, die Internistin Dr. Anna Küßner-Brochhagen und Dr. Irina Matthiesen wieder dabei und konnten neben einigen Remisen insgesamt zehn Männerskalpe stolz nach Hause tragen.

Prof. Dr. Halim Aydin brachte zwei türkische Kollegen mit, die nächstes Jahr wiederkommen möchten: „Hos geldiniz!“ (Herzlich willkommen). Mit lauter solchen Menschen/Ärzten gäbe es keine deutsch-türkischen Spannungen.

Bitte unter das „s“ von „hos“ nach Möglichkeit ein Häkchen setzen!

Natürlich war auch der badische Hautarzt Dr. Matthias Birke wieder dabei, nachdem er letztes Jahr wegen der zeitgleichen Heirat der älteren Tochter schweren Herzens absagen musste. Sein (schachspielender) Schwiegersohn wusste dies sehr zu schätzen: „Das rechne ich dir hoch an!“ (Vielleicht sollte man allerdings in Zukunft Hochzeitstermine immer mit dem Datum des Ärzteschachturniers abstimmen?!)

Und natürlich ist auch der Orthopäde und „halbe Seemann“ Dr. Thomas Georgi aus Tönning im hohen Norden immer dabei, obwohl er in diesen Tagen dann auf seinen geliebten Labskaus verzichten muss (er schrieb dafür sogar ein Rezeptbuch).

So natürlich ist die Teilnahme leider nicht mehr bei Dr. Hannes Knuth, dem mehrfachen Landesmeister von Mecklenburg-Vorpommern und zweifachen Sieger des Ärzteturniers, der nach einem schweren Unfall (er wurde als Fußgänger auf dem Gehsteig von einem Auto erfasst) gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist. Nur mit Hilfe seiner Frau, ebenfalls Ärztin, kann er immer wieder kommen und zeigen, dass er trotz aller Konzentrationsstörungen immer noch über ein großes Schachtalent verfügt.

Die Treuesten der Treuen sind aber sicher Dr. Martin Schaefer, Prof. Dr. Peter Krauseneck und Dr. Branko Spasojevic, die seit 1993 bei allen Ärzteturnieren dabei waren. Dabei war dies bei Letzterem nicht unbedingt abzusehen. In seinem Studium hatte er schon ein Jahr wegen seiner exzessiven „Blitzseancen“ verloren, bis seine neben ihm sitzende, heutige Frau ihn ernst fragte: „Wie lange willst du das noch machen?!“ In diesem Augenblick wachte er auf und war geheilt.

Frisches Blut

Gott sei Dank kam auch frisches Blut. Etliche jüngere Kollegen mit familiärem Anhang, sodass im Gegensatz zur Ruhe und den andächtig tickenden Schachuhren im Saal im Foyer ein lebhaftes Gewusel von klein bis ganz klein herrschen konnte. Einer der nicht mehr ganz Kleinen lief beschwingt umher, wobei auf seinem schwarzen T-Shirt hinten ein Schachbrett mit der Aufschrift „Dangerous Illusions“ prangte. Da hat er wohl recht – man kann nicht früh genug warnen!

Doch auch neues, schon erfahrenes Blut kam. Wie Dr. Alexei Bashirov mit vielen Chirurgenjahren in Sibirien auf dem Rücken, oder – nach 20 Jahren in England – erstmals Dr. Ralf Brücker, der in der „Ehrenliga“ (60+) in Ottobrunn bei München noch Fußball spielt. Schach ist offenbar nicht der einzige, empfehlenswerte Sport im Alter!

Ende der Ära Josef Maus

Leider seit diesem März gar nicht mehr dabei ist der ehemalige stellvertretende Chefredakteur des Deutschen Ärzteblatts, Josef Maus.

Er rief 1993 – mit kleiner Unterstützung durch mich – das Deutsche Ärzteschachturnier ins Leben und brachte es nicht nur strotzend vor Gesundheit mit immer weit über hundert Teilnehmern durch die „Kinderjahre“, sondern auch ins „Erwachsenenalter“. Ein ruhender und umsichtiger Pol, jederzeit für alle ansprechbar. Aber auch bei ihm lassen die Kräfte nach, wollen zuhause obendrein vier noch recht kleine Enkel von ihm und Oma Hilla behütet werden. Und ab und zu muss unbedingt auch ein kritisches Auge auf den geliebten, freilich derzeit weniger erfreulichen 1. FC Köln geworfen werden. Doch ein Besuch der Großfamilie Maus beim nächsten Turnier ist angekündigt.

Ohne die Mädlers geht es nicht

Ein verlässlicher Pol des Turniers ist Gott sei Dank weiterhin das Ehepaar Manfred und Monika Mädler (Schachhaus Mädler) mit seinem Buchstand, das für alle Nöte der Ärzte immer ein offenes Ohr und die richtige Rezeptur hat. Sei es das mittelalterliche „Der Arzt im Schachspiel“ oder die Broschüre „So darfst du nicht Schach spielen“. Alle aus dem Spielsaal zum Buchstand ins Foyer eilenden Ärzte sind bei den Mädlers gut aufgehoben und bekommen, insbesondere wenn versehentlich gerade ein Springer eingestellt wurde oder die vermaledeite Schachuhr einmal mehr zu schnell ablief, vom quicklebendigen Manfred (seine 89 Jahre will man ihm nicht glauben) obendrein Anekdoten aus einem langen Schachleben serviert, um das Gemüt wieder aufzurichten.

In diesem Sinne freuen wir uns auf das 33. Ärzteschachturnier im nächsten Frühjahr, natürlich wieder in Bad Homburg.

Helmut Pfleger

Die  32. Ärztemeisterschaft in Zahlen und Bildern

Wir danken allen Teilnehmern und Mitwirkenden und natürlich unserem Gastgeber, der Stadt Baf Homburg.

Die Top 5 des diesjährigen Turniers, v.l.n.r. Dr. Hans-Joachim Hofstetter, Dr. Thomas Hoth, Amir Rezazadeh, Oliver Bucur, Dr. Felix Stelter

Es findet sich bereits ein Bericht über das Ärzteschachturnier von Herrn Gerd Densing:

Hier einige Impressionen aus dem Turnier 2024.

Gelungene Fotografien dürfen gerne bei info@aerzteschach.de eingereicht werden.

Schachkunst: Michael H. Dietrich

Schachkunst: Michael H. Dietrich

Die Wellenlängen des Surrealismus und des fantastischen Realismus haben bei dem Maler und Bildhauer Dietrich angedockt. Seine Maltechnik wird von Metallen wie Gold und Silber, Kupfer, Bronze, Zinn etc. bestimmt. Dietrich hat sich schon seit geraumer Zeit aus dem aktiven, lebendigem Kunstbetrieb zurückgezogen. Zahlreiche Ausstellungen und Beteiligungen, Verkäufe seiner Arbeiten in die ganze Welt und als Lehrer von jungen Künstlern zeigen die Spuren seines Lebens. Seinem Motto ist er über die Jahre immer treu geblieben: Vita brevis – Ars longa.

Herr Dietrich stellt freundlicherweise einige seiner Kunstdrucke und Zeichnungen hier im „Schachkunst“- Bereich aus und wird unser diesjähriges Turnier mit einem kleinen „Pop-up Atelier“ bereichern.

Hier geht es zu den Bildern:

Kulturkaleidoskop – Impulse der Globalisierung

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schachfreunde,

in seiner neuesten Schachspalte  im ZEIT-MAGAZIN berichtet Dr. med. Helmut Pfleger über Dr. med. Gunnar Riemer, der seit er von Norwegen, wo er als Spezialist für seltene Erkrankungen gearbeitet hat, nach Berlin gezogen ist, ein ebenso treuer wie begeisterter Teilnehmer an den Schachmeisterschaften für Ärztinnen und Ärzte ist.

Gunnar Riemer hat neben seiner Arbeit als niedergelassener Neurologe und Psychiater kürzlich ein lesenswertes Buch publiziert, das den Titel Kulturkaleidoskop trägt. Am Ende dieses Rundschreibens finden Sie eine  kurze Rezension dazu.

Der Link zum aktuellen Beitrag von Dr. Helmut Pfleger:  https://www.zeit.de/zeit-magazin/2023/48/schach

Bitte beachten Sie: Die 32. Schachmeisterschaft für Ärztinnen und Ärzte findet vom8. bis 10. März 2024 in Bad Homburg v.d.H. statt. Anmeldung  vorzugsweise über https://aerzteschach.de mit dem direkten Link https://aerzteschach.de/anmeldung-zum-turnier/ oder über info@aerzteschach.de.

Ihnen allen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein hoffentlich friedliches und für Sie persönlich gutes neue Jahr

wünscht

Josef Maus

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Und hier nun die Rezension über das Buch von Dr. med. Gunnar Riemer:

Kulturkaleidoskop – Impulse der Globalisierung

Mit dem Kulturkaleidoskop legt der Berliner Neurologe, Dr. med. Gunnar Riemer, sein Erstlingswerk als Buchautor vor, das in vielerlei Hinsicht heraussticht. Wie leben die Menschen in einer Zeit miteinander, in der Weltanschauungen und Wertesysteme aufeinanderprallen? Es gibt Irritationen, mitunter Auseinandersetzungen, aber eben auch wertvolle Anregungen.

Wie facettenreich sich dieses neue Neben- oder Miteinander der Menschen darstellt, beschreiben 14 Autoren in ganz individuellen Kurzgeschichten. In der Summe entsteht daraus das titelgebende Kulturkaleidoskop. Es geht um die Frage: Was ist Heimat? Gunnar Riemer, der selbst auf eine äußerst wechselvolle Biographie in vielen Ländern verweisen kann, ist überzeugt, dass man mehrere Heimaten haben kann. Das Wandern durch die Welt mache die Menschen reicher, toleranter und letztlich auch zufriedener.

Das Buch ist ausgesprochen liebevoll gestaltet. Zu einzelnen Beiträgen stellt Riemer sehenswerte Aquarelle, die er selbst gemalt hat. Das Zusammenspiel zwischen Text und Bild verleiht dem Werk eine weitere besondere Note. Kein Zweifel, dieses Buch ist keine Alltagsware, es ist eine Bereicherung für alle aufgeschlossenen Leserinnen und Leser. Ein Buch, das man mit Gewinn liest und in dem man immer wieder gerne mal (nach-) lesen kann.

Für die Kolleginnen und Kollegen vom Ärzteschach sei hervorgehoben, dass das Schachspiel mit seiner jahrtausendealten Geschichte als Medium des kulturellen Austauschs vorgestellt wird. Ein Beitrag von Riemer beleuchtet das Schachspiel als Betätigungsfeld zwischen Intellekt und Emotionen – bezugnehmend auf den philosophischen Vordenker Spinoza und den Neurowissenschaftler Damasio.

Dr. med. Helmut Pfleger, Arzt und Internationaler Schachgroßmeister, beschließt sein Geleitwort zu dem Werk mit den Worten: „Möge es ein kleines und verbindendes Licht in dieser leider so zerrissenen Welt sein!“  Der Autor dieser Zeilen möchte anfügen: „Möge dieses Buch viele Leser finden. Denn das hat es verdient!“ JM

Kulturkaleidoskop, Impulse der Globalisierung, 220 Seiten, 30 Abbildungen, Hardcover, 17 x 21 cm, ISBN: 978-3-96258-157-2, Preis: 30 Euro einschließlich Versand innerhalb Deutschlands nach Zahlungseingang, Bestellungen per E-Mail info@palmartpress.com oder postalisch an: PalmArtPress, Pfalzburger Str. 69, 10719 Berlin

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Zur Gegenfinanzierung ins Casino

Das 31. Deutsche Ärzteschachturnier vom 24. – 26. März 2023 in Bad Homburg

von Dr. Helmut Pfleger

Schon einmal habe ich den höchst ambivalenten Schachspieler Johann Wolfgang von Goethe mit seinen Worten aus dem Faust 2 zitiert: „Hat einer dreißig Jahr vorüber, so ist er schon so gut wie tot. Am besten wär’s, euch zeitig totzuschlagen.“
Aber noch lebt es, das Deutsche Ärzteschachturnier, auch in seinem 31. Jahr! Wohl zausten die Pandemiejahre mit all ihren Einschränkungen und Befürchtungen an ihm – zumal die logistische Unterstützung des Deutschen Ärzteblatts seit Langem weitestgehend ausfällt -, erreichte man nicht mehr die früheren durchschnittlichen Zahlen von 130-140 Teilnehmern, doch waren es heuer immerhin schon wieder 93 Ärzte. Da aber auch Ärzte nicht über das ewige Leben verfügen und unweigerlich durch Tod und Krankheit manche Älteren nicht mehr kommen, sollen künftig auch ZahnärztInnen und MedizinstudentInnen eingeladen werden. Mal schauen, ob der große Spielsaal in Bad Homburg dann überquillt?!

Bad Homburger Flair
In dieser Stadt, die schon bedeutende Schachturniere mit Kortschnoi, Larsen, Hort und vielen anderen sah. Wenn auch nicht mit Bobby Fischer, der hier aber immerhin, zusammen mit Lothar Schmid, an der Glücksspielatmosphäre im Casino schnupperte. Ähnlich übrigens wie in seinen Schachpartien recht besonnen. Und ganz anders als die russische Gräfin Sophie Kiseleff, der Dostojewski in seinem 1866 in Bad Homburg geschriebenen Roman Der Spieler ein Denkmal setzte. Doch die spielsüchtige Großmutter war gleichzeitig eine kluge Geschäftsfrau und kaufte Spielbank-Aktien, sodass sie trotz ihrer immensen Verluste auf der Gewinnerseite blieb, wovon drei ihrer Häuser in der nach ihr benannten Straße am Kurpark zeugen. Seit ein paar Jahren gehört die Spielbank der Stadt. Kein Wunder, dass der Oberbürgermeister Alexander Hetjes in einer seiner launigen Ansprachen beim Empfang schon einmal anregte, dass die Teilnehmer abends nach geschlagener Schachschlacht zur Entspannung das Casino aufsuchen mögen – quasi zur Gegenfinanzierung des immer von der Stadt spendierten köstlichen Buffets. Muss ich bei dieser Gelegenheit nochmals erwähnen, dass alle bisherigen Ärzteschachturniere immer an Kurorten (Baden-Baden, Wiesbaden, Bad Neuenahr, Bad Homburg) mit einem Casino stattfanden?! Zufall schaut anders aus. Die launische, aber keinesfalls naive Schachgöttin Caissa weiß wohl, wohin sie ihre Äskulapjünger schickt.

Der Auftakt
Leider war heuer erstmals das Schachehepaar Manfred und Monika Mädler nicht dabei und insofern gab es keinen Buchstand mit dem Büchlein So darfst du nicht Schach spielen von Snosko-Borowski oder den letzten Geheimnissen der Eröffnungstheorie. Ich selbst vermisste vor allem den mittelalterlichen Ladenhüter Der Arzt im Schachspiel, um den die Ärzte aus irgendwelchen Gründen seit jeher einen großen Bogen machen. Doch so sehr Monika und Manfred am Turnier hängen, die Mühsal des Unterfangens mit dem Transport all der Bücherkartons gab den Ausschlag. Wohl kann Manfred mit seinem Witz und einem Schachleben voller Anekdoten immer noch köstlich unterhalten, doch 88 Jahre sind auch ein Argument.
Gott sei Dank war aber der Begründer des Ärzteturniers (mit etwas Mithilfe durch mich) und ehemalige stellvertretende Chefredakteur des Deutschen Ärzteblatts, Josef Maus, ordnend und einteilend vor Ort. Wie immer prächtig unterstützt durch seine Frau Hilla, Tochter Katharina nebst Mann Christoph und drei Enkelkinder, die beim Herumwuseln unter Tischen und durch Beine schon mal die Atmosphäre des Turniers einsogen – ein nahtloser organisatorischer Übergang scheint gewährleistet.
Zur wohltuenden Atmosphäre und zum „same procedure as every year“ trug sicher auch das badische Dreigestirn mit Jürgen Damman als Turnierleiter und seinen Kompagnons Alexander Krauth und Reinhold Faißt bei. Die beiden Letzteren ertappte ich hin und wieder bei Blitzpartien gegeneinander, schließlich besteht das (Schach-) Leben nicht nur aus Organisieren. Meine Bemerkung, dass etliche Bretter in Flammen stünden und Streitfälle zu schlichten wären, ließ die beiden unbeeindruckt. Der internationale Schiedsrichter Jürgen Damman meinte gar: „Solange man sich nicht gegenseitig totschlägt, ist es uns egal!“ Wohl die Quintessenz eines Schiedsrichterdaseins. Freilich gab es – wieder einmal – keinen Grund zur Beunruhigung. Sagte nicht Horst Metzing, der jahrzehntelange Geschäftsführer des Deutschen Schachbunds und selbst Internationaler Schiedsrichter, einmal, dass die Deutsche Ärztemeisterschaft für ihn das schönste Turnier überhaupt sei?!
Wie jedes Jahr erhielten alle Teilnehmer schöne Gaben aus dem Füllhorn von ChessBase, der in Hamburg ansässigen, weltweit führenden Firma von (Schach-) Datenbanken und Programmen wie Fritz & Co., und diesmal auch mein Jubiläumsbuch 40 Jahre Schach im ZEITmagazin aus der Edition Olms. Immerhin ist es schon das neunte Buch mit einer Sammlung meiner Schachspalten in der ZEIT.
Zwar nicht umsonst, aber dennoch recht begehrt waren die Polo-Shirts mit dem Äskulap-König, die unser finnisch-deutscher Webmeister und Künstlerarzt in Personalunion, Dr. med. Jan Wähner, entworfen hatte. In den Schachfarben Weiß oder Schwarz und in allen Größen. Wenn Sie sich für nächstes Jahr eines sichern wollen, lassen Sie es ihn doch rechtzeitig wissen. Ich jedenfalls bin nun nicht nur stolzer Besitzer von zweien, sondern bekam sogar eine wunderbare Äskulap-König-Skulptur von ihm, die fortan ein mir viel bedeutendes Andenken in meinem Schachzimmer ist. Altwerden mit dem Turnier kann sich offenbar lohnen.

Nach der offiziellen Eröffnung am Freitagabend gab es also das reichhaltige, wie stets von der Stadt gespendete Buffet – besten Dank, Herr Oberbürgermeister Hetjes! -, um sich entsprechend gestärkt danach den 64 Feldern zuzuwenden. Selbstverständlich war an diesem Abend der Spruch „Plenus venter non studet libenter“ außer Kraft gesetzt.
Wie immer konnte man das Blitzturnier mitspielen, ein Uhren-Handicap gegen mich spielen oder beim normalen Simultan diesmal den illustren Molekularbiologen und Schachgroßmeister in Personalunion, Prof. Dr. Luca Shytaj, herausfordern.

Virologe und Schachgroßmeister
Auf ihn stieß ich auf der Webseite en.chessbase.com, als der Wissenschaftsphilosoph Frederic Friedel in der Pandemiezeit fragte: „Kann ein Schachgroßmeister die Welt retten?“ Freilich wies ihn just jener „Messias in spe“ lakonisch auf „Betteridge’s law“ hin, nach dem jede Überschrift mit einem Fragezeichen am Ende mit „Nein“ beantwortet werden könne. Schade – diese Weltrettung hätte dem Königlichen Spiel zusätzlichen Glanz verleihen können!
Der 1986 in Tirana geborene Luca Shytaj kam mit sechs mit seinen Eltern nach Italien und wurde 2007 italienischer Staatsbürger; entsprechend wurde er sowohl Albanischer als auch Italienischer Meister und vertrat bei den Schacholympiaden 2004 und 2006 Albanien sowie 2008 Italien. Doch vor allem ist er ein renommierter Virologe, der vier Jahre in Heidelberg sowohl zu HIV als auch zu Covid 19 forschte, dann als Gastprofessor nach Sao Paulo ging und seit Ende 2022 eine Forschungsgruppe im englischen Bristol leitet.
Die Kollegen waren von seiner Freundlichkeit und Zugewandtheit sehr angetan, wenn er in ausgezeichnetem (!) Deutsch von sich und seiner Forschung berichtete. Freilich auch beeindruckt von seinen schachlichen Fähigkeiten, als er „in Windeseile“ durch die Reihen seiner 17 Gegner schritt. Neben zwei Remisen musste er sich aber auch einmal geschlagen bekennen. Gegen Dr. med. Stefan Hehn aus Grünkraut (als Merkhilfe von diesem selbst: „wie Rotkohl“), der freilich nicht immer in der Abgeschiedenheit der schwäbischen Provinz praktizierte, sondern jahrelang als Schiffsarzt ein abenteuerliches Leben führte. Den Kampf der beiden Globetrotter entschied jedenfalls ein „Grünkrauter Qualitätsopfer“. Wie sagte doch schon Vlastimil Hort: „Die Ärzte spielen sähr stark!“

Das Turnier
Am stärksten war diesmal Dr. med. Oliver Bucur, der schon das Blitzturnier am Freitagabend und dann sogar noch die Deutsche Ärztemeisterschaft 2023 für sich entschied. Der aus Rumänien stammende Kollege machte seinem Namen wahrlich Ehre. „Bucur(ie)“ bedeutet Freude und die Hauptstadt Bukarest in ihrer rumänischen Form „Bucuresti“ „Du freust dich“.
(Anmerkung: Wenn es geht, wäre es schön, unter das „s“ in „Bucuresti“ ein Häkchen zu setzen.)
Natürlich konnten sich nicht alle Kollegen bei dem 9-rundigen Schnellschachturnier mit sechs Partien am Samstag und drei am Sonntag immer freuen, neben schönen Kombinationen gab es auch grobe Patzer mit entsprechender Frustration, so machte beispielsweise Dr. med. Eduard Schiebelbein in Gewinnstellung (!) zweimal einen falschen Zug und wurde deshalb „wägän Rägel“ (Vlastimil Hort) genullt. Aber insgesamt war es einmal mehr ein gelungenes Turnier.
Das bestätigten auch – in der Nachfolge von Frau Dr. med. Utta Recknagel, viele Jahre unbestrittene und allseits hochgeschätzte „Anführerin“ aller teilnehmenden Ärztinnen – die Nephrologin Dr. med. Andrea Huppertz und die Internistin Dr. med. Anna Küßner-Brochhagen, die sich beide gut schlugen und den Männern manches „Ich bekenne mich geschlagen“ abnötigten. Letztere wurde natürlich wie immer vom Sohn Friedrich – nach Friedrich Schiller benannt, den das Schachspiel bis in seine letzten Tage hinein begleitete und tröstete – unterstützt; gar nicht selten musste allerdings der ebenfalls schachliebende Vater Thomas jenen Klein-Friedrich, wenn diesem gerade nicht nach Kiebitzen bei der Mama war, wieder einfangen.
Nicht nur ich freute mich, den zweimaligen Sieger des Ärzteturniers und mehrmaligen Landesmeister von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. med. Hannes Knuth, wiederzusehen. Nach einem schweren Verkehrsunfall, bei dem er auf dem Gehsteig (!) von einem Auto überfahren wurde, ist er natürlich in keiner Weise „der alte“, doch immer wieder blitzte sein grundsätzliches Schachverständnis auf. Seine Frau, ebenfalls Ärztin, las derweil das mich einst begeisternde Buch Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier (ein Pseudonym für den Philosophieprofessor Peter Bieri) mit einigen Schachstellen, die den Autor als Kenner ausweisen.
Dr. med. Matias Jolowicz – das ist derjenige, auf den Josef Maus immer wettet und so seine Chefredakteursrente aufbessert, und der beim Einstieg in die niedersächsische Seniorenmannschaft freudig mit „Endlich wieder frisches Blut“ begrüßt wurde – erzählte von seiner Sammlung alter Schachbücher. Als er bei einer Auktion den „Selenus“ (unter dem Pseudonym Gustavus Selenus veröffentlichte Herzog August II. zu Braunschweig-Wolfenbüttel 1616 das erste deutsche Schachbuch Das Schach- oder Königspiel) erwarb, wurde das gleich dem Karl May-Verleger und Schachgroßmeister Lothar Schmid mit der größten privaten Sammlung von Schachbüchern weltweit mitgeteilt. Matias war also jetzt auch in diesem exquisiten, bibliophilen Kreis angekommen. Doch nicht immer scheint er in 400 Jahre alte Schachbücher zu schauen, jedenfalls schlug er sich mit sechs Punkten in den Stunden aktueller Bad Homburger Wahrheit sehr gut, Josef Maus kann getrost weiter auf ihn wetten.
Ein langjähriger Gast des Ärzteturniers ist Dr. med. Wael Omran. Mit einer „Einwanderer-Erfolgsgeschichte“. Seit 35 Jahren lebt der gebürtige Syrer in Deutschland und hat als Endokrinologe in Mainz eine florierende Praxis nebst Labor mit 15 Angestellten aufgebaut, zweimal im Jahr besucht er seine weitverzweigte Familie in der einst von Kreuzfahrern gegründeten Hafenstadt Tartus.
Nun aber genug des Redens, jetzt wird geschacht.

                        Kombinationsschlaglichter   

Dr. med. Robert Taayedi kam zwar mit seiner Familie, aber leider diesmal ohne seinen Dortmunder Kollegen Dr. med. Hubertus Draeger, der wacker auf die 90 zuschreitet. In der 8. Runde gelang ihm ein hübsches Matt gegen Dr. med. Friedemann Mack, der „natürlich“ wie immer vor Turnierbeginn mit seinem schwäbischen Kollegen Dr. med. Tomas Kunz die Gegend erwanderte. Von den Höhenzügen um die Kurstadt – schließlich heißt diese „Bad Homburg vor der Höhe“ – lässt sich schön auf diese hinabschauen.

                                       Diagramm 1

(wKh2, Dd2, Tb1, Tg1, Sd3, Ba2, b3, c2, d5, f2, g3, h4;
sKh8, De7, Te5, Tf4, Lg7, Ba7, b7, c7, f3, h6)

Mit welchem Schlag konnte Dr. Taayedi als Schwarzer in 2 Zügen mattsetzen?

                                       Diagramm 2

(wKh1, Df2, Ta1, Tf1, Lc1, Le2, Sb1, Sc2, Ba3, b4, c3, d4, e5, f4, g2, h2;
sKe8, Dd8, Ta8, Th8, Ld7, Le7, Sc6, Sf5, Ba6, b7, c4, d5, e6, f7, g5, h6)

Hier sind noch alle 32 Steine auf dem Brett. Mit welchem forschen Zug konnte Dr. med. Helmut Jacob, der nicht nur ein treuer Teilnehmer des Ärzteturniers ist, sondern auch mit seiner Frau im heimischen Ochtrup Schachgruppen leitet, als Weißer gegen Dr. med. Herwig Gerlach aus Berlin entscheidenden Vorteil erzielen?

                                     Diagramm 3

(wKg1, Dd2, Ta1, Tf1, Ld5, Lg5, Ba2, b2, f2, g3, h2;
sKg8, Db8, Ta7, Tf8, Ld6, Sf6, Ba6, b7, f7, g7, g6)

Mit welcher Zugsequenz konnte Dr. med. Thorsten Heedt als Weißer gegen seinen Porzer Vereinskollegen Dr. med. Kai Finke in dieser harmlos anmutenden Stellung schnell in entscheidenden Vorteil kommen und mit einem „klassischen Dame-Läufer-Matt“ (Heedt) abschließen? Beide vertraten die Farben dieses einst vielfachen Deutschen Mannschaftsmeisters mit 7 Punkten aus 9 Partien sehr gut, nach Wertung war Heedt Zweiter, Finke Fünfter.

                                     Diagramm 4

(wKg1, Dh7, Tc1, Tc2, Lg3, Sf3, Ba3, b4, d4, f2, g2, h2;
sKf7, Db7, Ta8, Tc8, Le7, Sd7, Sf6, Bb6, c5, e6, g7)

Wie konnte Dr. med. Teja Lensch aus Hamburg als Weißer nach einem vorherigen Springeropfer schnell gewinnen?

                                        Diagramm 5

(wKd2, De3, Tb4, Tg5, Ld3, Ba4, c2, c3, f4, h4;
sKh6, Df7, Te8, Tg8, Lc6, Ba6, b7, d5, e6, g6)

Prof. Dr. Johannes Dorst aus Marburg hatte gegen seinen Professorenkollegen Peter Krauseneck aus Bamberg „unvorsichtig“ Französisch gespielt. Schließlich ist dies auch dessen Leib- und Mageneröffnung, mit der er einst sogar den großen Viktor Kortschnoi anlässlich einer „Neuro-Woche“ in Bamberg beim Simultan als Einziger bezwingen konnte. Peters schwarzer König wanderte damals ins freie Feld und überlebte wundersam, ein solch gnädiges Schicksal war hier dem schließlich auf d6 landenden schwarzen König nicht beschieden. Mit welchem weißen Auf- und Durchbruch begann des Bamberger Neurologen herrliche Kombination?

                                Diagramm 6

(wKg1, Df3, Td1, Lc4, Ba2, b2, c3, e5, f2, g2, h3;
sKg8, De7, Ta8, Lc8, Le3, Ba7, b7, c7, f7, g7, g5)

Zum Abschluss dieses Kombinationsreigens ein schönes Matt von Prof. Dr. Werner Plötz gegen den Jungarzt Dr. med. Max Fritschka aus Berlin. Fast drei Jahrzehnte war Prof. Plötz beim Ärzteschachturnier nicht mehr gesehen, nachdem er beim 2. Turnier 1994 in Baden-Baden Fünfter wurde und als Preis zwei Aktien der Schweizer Bank Credit Suisse erhielt, diese aber (Gott sei Dank) schon längst verkauft hat. Tja, das war in der guten alten Zeit, als die Credit Suisse mit ihrem schachliebenden Generaldirektor Dr. William Wirth das Königliche Spiel noch großzügig unterstützte und aus den damals vollen Fleischtöpfen sogar etwas für uns (notleidenden) Ärzte abfiel. Der Grund der langen Abwesenheit war seine Tätigkeit als Ärztlicher Direktor des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in München, deutschlandweit renommiert als Zentrum für Knie- und Hüftgelenksendoprothetik, wobei er selbst über 15.000 Operationen durchführte. Besonders beeindruckte mich der Fall einer sehr guten Freundin, die sich jahrelang nur noch unter großen Schmerzen bewegte (sie wollte auf keinen Fall unters Messer) und nach der doppelten Hüftgelenks-Op. „in einem Aufwasch“ durch ihn schon seit Jahren wieder „wie ein Reh umherspringt“.
Aber jetzt endlich Schach. Schwarz hatte zuletzt einen weißen Läufer auf e3 geschlagen und natürlich das automatische Wiederschlagen erwartet. Doch es kam ganz anders, in 3 Zügen war er matt. Wie kam’s?

                                       Auflösungen

Diagramm 1:
Nach dem Turmopfer 1…Txh4+! 2.gxh4 Txh4 war es matt.

Diagramm 2:
Nach 1.g4! war der angegriffene Springer in unüberwindbaren Nöten. 1…Sh4 hätte ihn wegen der Mattdrohung auf f7 nach 2.fxg5 sofort verloren. Schwarz versuchte noch 1…Sg7, war aber nach 2.fxg5 0-0 3.gxh6 Se8 4.g5! auch verloren.

Diagramm 3:
Nach dem Abtausch 1.Lxf6 gxf6 2.Dh6! war der Einschlag auf g6 mit Schachgebot wegen der Fesselung des Bauern f7 nicht mehr zu vereiteln. Schwarz versuchte noch 2…Le5, „erlitt“ aber nach 3.Dxg6+ Kh8 4.Dh6+ Kg8 5.Le4! Te8 das berühmte „Dame-Läufer-Matt“: 6.Lh7+ Kh8 7.Lg6+ Kg8 8.Dh7+ Kf8 9.Dxf7 matt.

Diagramm 4:
Nach 1.Sg5+! Ke8 (1…Kf8 hätte das Leiden nur verlängert) 2.Dg6+ Kd8 (2…Kf8 3.Df7 matt) gab der Springer mit 3.Sxe6 matt.

Diagramm 5:
Auftakt war der Bauernvorstoß 1.f5!, der vor allem die latente Diagonale e3-h6 offenlegt. Nach 1…exf5 kam das Abzugs-Doppel-Schach 2.Th5+!! Nach dem Schlagen des Turms mit 2…Kxh5 wäre es durch 3.Dg5 matt gleich aus gewesen, also 2…Kg7. Doch nun folgte 3.Dh6+ Kf6 4.Txf5+! (der Bauer g6 ist gefesselt) Ke6 5.De3+ Kd6 6.Df4+ und im nächsten Zug wird die schwarze Dame „gratis“ verspeist.

Diagramm 6:
Weiß nahm nicht etwa mit 1.Dxe3 wieder, sondern setzte mit dem