Herzlicher Empfang durch den Bad Homburger Oberbürgermeister
17. April 2025von Dr. Helmut Pfleger
Die beste Nachricht vorweg. Bei der Eröffnung des schon 33. Deutschen Ärzteschachturniers (28. – 30. März 2025) am Freitagabend lud der Bad Homburger OB Alexander Hetjes die Ärzte in seiner wie immer sehr launigen Eröffnungsrede mit einem Parforceritt durch die illustre Geschichte dieses Kurorts voller Kaiser, Könige und Prinzessinnen nicht nur wie jedes Jahr zum Buffet ein, sondern auch gleich zum Turnier fürs nächste Jahr. Für die Zeit danach konnte er es allerdings für den Kursaal mit seinem prächtigen Rahmen nicht mehr garantieren, weil dieser der umfassenden Renovierung bedarf. Wie alles in unsrer Welt ist der Zeitpunkt noch ungewiss, selbst im so verlässlichen und mit mancherlei Gütern gesegneten Bad Homburg. Immerhin überlässt die Stadt den Ärzten den Saal umsonst – entgegen anderen Vermutungen hüpfen auch schachspielende Ärzte nicht schon frühmorgens wie Dagobert Duck in einem Berg voller Goldtaler herum, bevor sie sich über Türme, Läufer und Springer beugen. Selbstverständlich hat(te) der OB freilich auch keinerlei Einwände gegen eine Art „Gegenfinanzierung“, wenn sich die Ärzte abends beim Glücksspiel in dem der Stadt gehörenden Casino entspannen.
Ein zwangloses Übergleiten von einem Glücksspiel zum anderen, höre ich einen Spötter sagen.
Das Städtchen liegt am Gebirg
Doch es gibt auch andere Arten der Entspannung. Wie immer kamen die schwäbischen Kollegen Dr. Mack und Dr. Kunz schon früher, um „auf der Höhe“ zu wandern, der „Bad Homburg vor der Höhe“ seinen (vollständigen) Namen verdankt. Immerhin verbrachte Friedrich Hölderlin, bevor sich sein Gemüt verdunkelte, hier schöne Tage, wie er seiner Schwester 1799 schrieb: „… Sonst machen die seltnen Schönheiten der hiesigen Gegend mein einzig Vergnügen; das Städtchen liegt am Gebirg, und Wälder und geschmakvolle Anlagen, liegen rings herum…Wenn ich von meiner Arbeit müde bin, steige ich auf den Hügel und seze mich in die Sonne, und sehe über Frankfurt in die weiten Fernen hinaus, und diese unschuldigen Augenblicke geben mir dann wieder Muth und Kraft zu leben und zu schaffen.“
Blitzturnier und Schnellschach-Uhrenhandicap
Muth und Kraft zu leben und zu schaffen hatten nach dem üppigen Buffet denn auch die Teilnehmer des Blitzturniers zum Auftakt, das der Kardiologe Dr. med. Patrick Stiller souverän gewann. Die Medizinerweisheit „Plenus venter non studet libenter“ war dank des Antriebsmittels Adrenalin und der unerbittlich tickenden Schachuhren außer Kraft gesetzt.
Großmeisterlicher Irrwisch
Ähnlich war es beim Schnellschach-Uhrenhandicap, das Großmeister Michael Bezold anbot.
Vorher hatte er noch gebannt lauschenden Ärzten von Bobby Fischer erzählt, der sich einst in der „Pulvermühle“ in der Fränkischen Schweiz auf seiner Flucht vor Gott und der Welt drei Monate lang versteckte. Dieses Ausflugslokal mit einem ziemlich „schachlichen Einschlag“, in dem schon die Weltmeister Mihail Botwinnik und Tigran Petrosjan sowie der große Paul Keres zu Gast waren, in dem sich aber auch die legendäre „(Schriftsteller-) Gruppe 47“ auflöste (vielleicht hätten sie miteinander Schach spielen sollen?!), betrieben Michaels Eltern. Wenn er aus dem „Alten Gymnasium“ in Bamberg nach Hause kam und die Nachteule Bobby Fischer gegen 15-16 Uhr aufgestanden war, zeigte ihm dieser so manche seiner Partien. Ein unvergessliches Erlebnis für den jungen Michael!
Das war natürlich auch seine Blitzpartie gegen Magnus Carlsen zum Auftakt der Blitz-WM Ende Dezember 2024 in New York. Lange hielt Michael gut mit, aber zum Schluss manövrierte der „G.O.A.T.“ die Figuren doch geschickter.
In jedem Fall beeindruckte Michael Bezold seine zehn ärztlichen Gegner beim Uhren-Handicap mit seiner Genauigkeit und Schnelligkeit. Wie diese hatte er bei dieser Art Simultan 25 Minuten Bedenkzeit und 25 Sekunden Zeitgutschrift pro Zug. Nur musste er von Brett zu Brett eilen und möglichst umgehend reagieren (schließlich konnte seine Uhr gleichzeitig an mehreren Brettern laufen), während seine Gegner nach gusto ziehen konnten. Zum Schluss gab er nur ein Remis gegen Dr. Markus Hobert ab und konnte eine kritische Partie auf Messers Schneide sogar noch gewinnen. Wie sagte Großmeister Eric Lobron einmal bei ähnlicher Gelegenheit, allerdings von keiner Schachuhr gehetzt: „Es hat Spaß gemacht, einmal „die Ärzte zu verarzten“!

(wKf2, Db3, Ta1, Tc1, Ld2, Lg2, Se1, Ba2, g3, h2; sKg8, Dd8, Tc8, Te8, Lc5, Le2, Ba7, d4, f7, g7, h6)
Wie „verarztete“ Michael hier als Schwarzer am Zug seinen Gegner, nachdem er mit einem Springereinschlag an der weißen Achillesferse f2 gute Vorarbeit geleistet hatte? (Lösung am Ende des Berichts).
Die letzten Drei
Doch der Freitagabend war nur die Ouvertüre zum eigentlichen Turnier am Wochenende, bei dem wie immer neun Schnellschachpartien mit der gleichen Bedenkzeit wie beim Uhren-Handicap gespielt wurden und es, neben vielen Preisen, wie jedes Jahr etwas Besonderes für den Sieger gab: Einen herrlichen Äskulapkönig vom Künstlerarzt Dr. Jan Wähner.
Als souveräner Sieger fuhr diesmal wieder der FIDE-Meister Dr. Thomas Wessendorf äußerst zufrieden nach Hause, obwohl er laut der Frau Gemahlin anfangs noch große Bedenken hatte und sie ihn erst zur Teilnahme überreden musste – natürlich ist dies implizit ein Aufruf an alle Ärztegattinnen. Er verwies sowohl seine FIDE-Meister-Kollegen Dr. Hans-Jörg Cordes und Dr. Amir Rezazadeh, die das Turnier auch schon gewonnen haben, als auch viele andere starke Spieler auf die Plätze. Genaueres entnehmen Sie bitte der Tabelle!
Unter den 98 Kollegen waren auch die letzten drei „kleinen Negerlein“, die alle bisherigen 33 Ärzteturniere mitgespielt haben: Dr. Branko Spasojevic (der sich in nimmermüder Kleinarbeit um die statistische Erfassung der Turniere verdient gemacht hat und noch macht), Dr. Martin Schaefer und Prof. Dr. Peter Krauseneck (der sich als primus inter pares neben Jan Wähner um die Organisation kümmert – nächstes Jahr soll ihn Letzterer als primus „beerben“).
Mögen diese drei noch lange dabei sein und es vielleicht sogar dem legendären „90er-Dreigestirn“ früherer Jahre gleichtun!
Dr. Schütz (92) kam zwei Mal direkt vom Skifahren („natürlich“ Abfahrtslauf) in der Schweiz zum Ärzteturnier. Ein Vorbild für Dr. Wilhelm Töllner, der es genauso hält und mit seiner Frau auch fast immer dabei ist.
Dr. Rudolf Faulhaber (91), einst sogar Linksaußen beim 1. FC Nürnberg, bevor er sich für die Medizin entschied, reckte (nicht nur beim letzten Mal) beim Abschied immer seinen Stock in die Höhe: „Und nächstes Jahr bin ich wieder dabei, wenn es der Herrgott erlaubt!“ Doch irgendwann war es mit der himmlischen Unterstützung vorbei.
Und schließlich noch der Benjamin der drei, Dr. Reichel (90).
Nicht ganz in den exquisiten Club der „All-Timer“ schaffte es Dr. Matthias Birke. Zwar spielte er einmal nach einem (unverschuldeten) Unfall sogar mit geschientem und hochgelagerten Bein, doch bei der gleichzeitig stattfindenden Hochzeit der älteren Tochter wollte er natürlich dabei sein. Sein (ebenfalls schachspielender) Schwiegersohn rechnet ihm dies heute noch hoch an. Nur eine Bitte: Die Hochzeit der jüngeren Tochter bitte mit dem Ärzteturnier abstimmen!
Harmonisch und doch spannend
Als Begrüßungsgabe erhielten die Ärzte diesmal das neueste Chessbase Magazin und das Buch des Internationalen Meisters und Schachjournalisten Martin Breutigam „Damen an die Macht“.
Leider kamen diesem eindeutigen Aufruf diesmal nur Dr. Andrea Huppertz und Dr. Irina Matthiesen nach, Dr. Anna Küßner-Brochhagen konnte sich im Krankenhaus nicht freimachen, schickte aber immerhin Mann Thomas und Sohn Friedrich in ihrer Vertretung als „Kiebitze“.
Und diese beiden konnten sehen, wie die kleine Damentruppe zwar noch nicht ganz an die Macht kam, sich aber mit über 50 % der Punkte prächtig schlug. Frau Dr. Utta Recknagel, die viele Jahre die Damenriege anführte, kann „mit dem Nachwuchs“ zufrieden sein.
Neben der durchgehend harmonischen Atmosphäre, zu der das badische Schiedsrichter-Dreigestirn Jürgen Damman, Alexander Krauth und Reinhold Faißt wie jedes Jahr souverän und unaufgeregt beitrug, gab es natürlich auch viele aufregende Gefechte zu sehen. Unvermeidlich, wenn in hoher Zeitnot die letzten Sekunden unerbittlich dahinticken. Schopenhauer mag zwar gesagt haben, dass es Zeit eigentlich nicht gäbe und dass Schach alle anderen Spiele so sehr wie der Chimborazzo einen Misthaufen überrage, aber von Zeitnot beim Schach und der entsprechenden Erregung hatte er offensichtlich keine Ahnung.
Da lehnte beispielsweise Prof. Krauseneck trotz höchster Zeitnot ein Remisangebot von Dr. Stiller ab – und seine Tollkühnheit wurde sogar belohnt. Kommentar Dr. Birke: „Peter der Große!“ Von einigen denkwürdigen Kombinationen und Begebenheiten, die nicht nur der ärztlich-schachspielenden Nachwelt unbedingt überliefert werden müssen, werde ich noch im ZEITmagazin und auf der Webseite von medchess berichten.
Epilog
Schon erschienen ist übrigens im Westfälischen Ärzteblatt und im Berliner Ärzteblatt ein gemeinsamer Artikel von Dr. Branko Spasojevic und Dr. Gunnar Riemer über die Ärzteturniere und den gesundheitlichen Wert des Schachspiels.
Darüber hinaus kann ich Ihnen nur die von unserem Künstlerarzt Dr. Jan Wähner gestalteten T-Shirts mit „seinem“ Äskulapkönig als Blickfang empfehlen – schachspielgerecht sowohl in schwarz, als auch in weiß.
So können wir nur hoffen, uns im nächsten Frühling in Bad Homburg zum 34. Deutschen Ärzteschachturnier gesund wiederzusehen. Möglichst wieder mit dem Ehepaar Manfred und Monika Mädler und ihrem Schachstand als „Treff- und Kristallisationspunkt“, die diesmal wegen eines grippalen Infekts kurzfristig absagen mussten und schmerzlich vermisst wurden.
Zum Schluss noch die Auflösung obiger Diagrammstellung:
Nach 1…d3+! 2.Txc5 Dd4+! gab Weiß wegen 3.Le3 Dxe3 matt auf.